Tauwasserschutz im Holzbau

von Robert Borsch-Laaks

In den vergangenen 20 Jahren hat sich für den Tauwasserschutz im Holzbau die diffusionsoffene Konstruktionsweise von Wänden und Dächern weitgehend durchgesetzt. Ihre große Trocknungsre­serve bei unvorhersehbaren Befeuchtungen - insbesondere die schwer kalkulierbare Wasserdampfkonvektion - ist ein Garant für die Robustheit dieser Bauweise. Immer häufiger werden auch un­belüftete und voll gedämmte Flachdächer in Holzbauweise erstellt. Durch die außenseitig dampfdichte Abdichtung oder Verblechung sind nach dem heutigen Stand der Erkenntnis alte bauphysikali­sche Regeln zu hinterfragen. Es gilt Konstruktionsweisen, die ein ausreichendes Rücktrocknungspotenzial durch sommerliche Um­kehrdiffusion bieten, zu entwickeln und ihre Funktionstüchtigkeit objektspezifisch bauphysikalisch nachzuweisen.

 

Bauphysikalisch auf der sicheren Seite

Der Tauwasserschutz von Holzbaukonstruktionen lässt sich in vie­len Fällen mit dem in der DIN 4108-3 genormten Glaser-Verfahren nachweisen. Es ermöglicht die Berechnung von Tauwassermen­gen und ihrem Trocknungspotenzial. (1) Außenseitig diffusionsoffene, voll gedämmte Holzbauquerschnitte sind laut DIN 4108-3 unter bestimmten Randbedingungen von einem Tauwassernachweis befreit. Wie die rechnerische Überprüfung in der Tabelle (Zeile 2) zeigt, begrenzt ein innerer Diffusionssperrwert (2) (sd,i-Wert) von zwei Meter den Diffusionsstrom von der Raumluft bis zur Unter­spannbahn auf 429 g/m2.

Zur selben Zeit diffundiert ein Teil von dieser Ebene weg nach außen. Bei dem maximal zulässigen äußeren Diffusionssperrwert (sd,e = 0,3 m) beträgt die rechnerische Tauwassermenge dann 213 g/m2, das heißt etwa 40 Prozent der zulässigen 500 g/m2. Ab äußeren sd-Werten unter 0,15 ist die Konstruktion gänzlich tau­wasserfrei, weil auch im Normwinter (60 Tage, -10 Grad Celsius, 80 Prozent relative Feuchte) mehr Feuchtigkeit aus der Konst­ruktion nach außen diffundieren kann, als gleichzeitig von innen ankommt. Während der Verdunstungsperiode können drei Viertel der winterlichen Tauwassermenge nach innen und mit 2021 bis 6.064 g/m2 ein Vielfaches auch nach außen heraus diffundieren. Derartige Konstruktionen weisen also große Verdunstungsreser­ven gegenüber ungewollt eindringender Feuchte auf.

Trocknungsreserven – warum?

Berechnungen zur Diffusionsbilanz erfassen den tatsächlichen Dampftransport jedoch höchst unvollständig. Schon in den 1980er Jahren zeigten Laboruntersuchungen des Fraunhofer Instituts für Bauphysik in Stuttgart, dass der Dampftransport per Luftströ­mung (Konvektion) um ein Vielfaches stärker sein kann als die Dampfwanderung per Diffusion.

Rechnet man bei Diffusionsvorgängen mit Wassermengen in Grö­ßen von Schnapsgläsern oder Fingerhüten pro Quadratmeter Au­ßenhülle, erhöhen sich die über Konvektion eingetragenen Was­sermengen deutlich um mehrere Zehnerpotenzen. Das gilt schon bei geringen Druckdifferenzen, wie sie in beheizten Gebäuden bei Frostwetter allein durch die Thermik ausgelöst werden.

Luftdicht zu bauen ist daher Pflicht, jedoch ist keine Ausführung perfekt - hundertprozentig durchströmungsdichte Häuser gibt es nicht. Für die verbleibenden Restleckagen brauchen Holzbaukon­struktionen daher ein ausreichendes Rücktrocknungspotenzial. Hierfür sind Konstruktionen so zu bemessen, dass die per Glaser-Verfahren ermittelte Diffusionsbilanz (Differenz von Tau- und Ver­dunstungsperiode) eine Trocknungsreserve von 250 g/m2 ergibt. (3) Diese Empfehlung aus der Forschung findet derzeit Eingang in die Fachregeln und Normen. Die praktischen Konsequenzen hieraus sind allerdings vielfach noch nicht verstanden worden.

Wie dicht darf es außen – wie dicht darf es innen sein?

Außenseitig diffusionsoffene Holzbauquerschnitte stellen immer genügend Trocknungspotenzial für die konvektive Befeuchtung bereit. Bei höheren äußeren sd-Werten über 30 Zentimeter postu­liert DIN 4108-3, Tabelle 1 eine Nachweisbefreiung für die Kons­truktionen, bei denen der innere sd,i-Wert sechsmal größer ist als der äußere. Hier wird in der alten Norm wieder nur ausschließlich der winterliche Dampfeintrag über Diffusion betrachtet. Der aktu­elle Ansatz, eine Trocknungsreserve für konvektiven Dampftrans­port in Höhe von mindestens 250 g/m2 einzuplanen, ergibt sich nur bei sd-Werten mit maximal 2,5 Metern.

Wenn die Gebäudedichtheit geprüft wird und die Mindestanfor­derungen von EnEV und DIN 4108-7 eingehalten werden, lässt sich die erforderliche Trocknungsreserve auf 150 g/m² reduzieren. Dies würde einen maximalen äußeren Diffusionssperrwert von vier Metern erlauben.

Bauphysikalische Konstruktionsphilosophie

Auf die Konstruktion von Holzbauwänden bezogen lassen sich aus bauphysikalischer Sicht zwei gängige Typen unterscheiden:

  • Holzrahmenbauwände mit innen liegender Aussteifung durch Holzwerkstoffplatten (meist OSB) und diffusionsoffener äußerer Bekleidung, oft auch als diffusionsoffe- nes Holzfaser-Wärme­dämmverbundsystem ausgeführt.
  • Holztafelbauwände mit außen liegender, aussteifender Beplan­kung, vielfach mit EPS-Wärmedämmverbundsystem und einer inneren Dampfbremse ausgeführt.

Beide Typen lassen sich laut Anhang A der neuen Norm zum bau­lichen Holzschutz (DIN 68800-2:2012) ohne besonderen feuch­tetechnischen Nachweis in die Gebrauchsklasse 0 (früher: Ge­fährdungsklasse 0) einstufen. Ihre feuchtetechnische Robustheit wird als so sicher erachtet, dass kein vorbeugender chemischer Holzschutz erforderlich ist. Führt man jene Tauwasserberechnun­gen nach Helmut Glaser ("Glaser-Verfahren") durch, auf denen diese Bewertung vorgeblich beruhen soll, kommen deutliche Un­terschiede zwischen den Varianten zum Vorschein. Die oben ste­hende Tabelle zeigt die Trocknungsreserven, die bei verschiede­nen diffusionsoffenen Varianten des Anhangs A erreicht werden. Im günstigsten Fall (Variante A.3) steht der Tauwassermenge aus dem Winter (275 g/m²) ein Trocknungspotenzial in der Verdunstungsperiode von fast 1.300 g/m² gegenüber. Es verbleibt also eine Trocknungsreserve in Höhe von insgesamt etwa 1.000 g/m².

Dieser Wert ist viermal höher, als die Bauphysik fordert. Bei ver­gleichbar konstruierten Wänden, die außenseitig ein Wärme­dämmverbundsystem aus Holzfaserplatten - unmittelbar auf dem Ständerwerk montiert - (Variante A.6) haben, sind die Trock­nungspotenziale sogar zwei- bis dreifach höher. Auch Konstruktio­nen, deren Aussteifung sich an der Tragwerks-Außenseite befindet, können ähnlich robuste Bilanzen aufweisen, so auch Holzrahmen­bauwände, die über Gipsfaserplatten-Beplankungen außenseitig ausgesteift werden. Diffusionsoffene Plattenwerkstoffe erreichen in Verbindung mit einem Mineralfaser-Wärmedämmverbundsystem ebenfalls Trocknungsreserven über 2.000 g/m² (Variante A.5).

Holztafelbau an der Grenze des Machbaren

In der Norm wird für Holzbauwände eine Reduzierung der Trock­nungsreserve auf 100 g/m² zugelassen. Das stellt in gewisser Hinsicht eine Aufweichung der oben angeführten Anforderun­gen an die mindestens erforderliche Trocknungsreserve dar. Diese Regelung, die von der Fertighausindustrie in die Norm eingebracht wurde, soll die besondere Sicherheit beim Konstru­ieren von luftdichten Holzbaugefachen durch werkseitige, güte­überwachte Vorfertigung abbilden. Leider hat man es allerdings versäumt, diese Festlegung an den bautechnischen Nachweis einer besseren Gebäudedichtheit zu binden, etwa durch eine Blower-Door-Prüfung. Zusätzlich findet sich bei verschiedenen Wandtypen, die in der Anlage A der Norm aufgeführt sind, am Ende der Legende eine unglückliche Sonderregelung für Konst­ruktionen, die gemäß der Holztafelbaurichtlinie gefertigt werden. Dort heißt es: "Bei beidseitig bekleideten oder beplankten, werk­seitig hergestellten Elementen auch zulässige Kombinationen: [...] Dampfbremsschicht 20 m ≤ sd ≤ 50 m in Verbindung mit [...] äußerer Bekleidung oder Beplankung sd ≤ 4 m".

Im Fall der Konstruktion einer nicht belüfteten Vorhangfassade re­duziert der Einsatz von Bekleidungen mit den genannten Diffusi­onssperrwerten die Trocknungsreserve auf etwa 160 g/m² (siehe Variante A.3). Dies bleibt noch im Rahmen der reduzierten Anforderung, ist aber auch nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die außenseitig diffusionsoffene Lösung einer gleichartigen Wand bereitstellen kann.

Diese Sonderregelung konterkariert den Grundsatz der Norm. Für die häufigste Bauweise im industriellen Holzfertigbau (EPS-Wärmedämmverbundsystem, siehe Variante A. 5) sind die Ergebnisse der Tauwasserberechnung in vielen Fällen deutlich ungünstiger. Der hohe Diffusionswiderstand der Außendämmung (μEPS = 100) lässt nur dann eine Trocknungsreserve oberhalb der 100 g/m²-Grenze zu, wenn die Dämmschichten nicht dicker als 30 Millimeter werden. Obwohl höhere Dämmdicken die Temperatur an der kritischen Grenze zwischen Dämmung und Beplankung anheben, sinken die Trocknungspo­tenziale weiter ab, da der Dampfsperrwert des Wärmedämmver­bundsystems die Austrocknung nach außen stark behindert. Die Rücktrocknung nach innen beträgt sowieso nur wenige g/m², weil die innere Dampfbremse eine Umkehrdiffusion in diese Richtung weitgehend ausschließt. Insofern stehen die Befreiungsregelun­gen für diese Gruppe von Holzbausystemen im Widerspruch zu dem, was erreicht werden soll - nämlich feuchterobuste Bauteile. Einzig die Konstruktionen von Variante A. 5, die mit einer Holzfa­serdämmung auf der Holzwerkstoffplatte konstruiert wird, errei­chen Tauwasserreserven oberhalb von 100 g/m².

Tauwasserberechnung für Flachdächer

Beim Tauwassernachweis für flach geneigte Dächer nach dem Glaser-Verfahren erlaubt DIN 4108-3 in der Verdunstungsperio­de die Oberflächentemperatur des Dachs um acht Grad Celsius gegenüber dem Außenklima zu erhöhen. Dies soll dessen som­merliche Erwärmung durch Sonneneinstrahlung abbilden, die zu einer verstärkten "Umkehrdiffusion" von außen nach innen führt. Berechnet man für diesen Fall die Trocknungsreserve, so sollte der innere sd-Wert auf vier bis fünf Meter begrenzt werden, um ein ausreichendes sommerliches Verdunstungspotenzial gewähr­leisten zu können. Eine innere Dampfsperre mit einem sd-Wert über 100 Meter, wie sie leider immer noch als nachweisfreie Konstruktionsweise in derselben Norm freigegeben wird, kann nur Trocknungsreserven von 20 bis 60 g/m² gewährleisten. Einen wesentlichen Schritt zur bauphy­sikalischen Wahrheit setzt die Neufassung der Holzschutznorm (DIN 68 800-2:2012), da sie die Berücksichtigung der 250 g/m²-Reserve für Dächer festschreibt. Demnach ist der Einsatz von in­neren Dampfsperren mit einem sd-Wert über 100 Meter bei unbe­lüfteten Konstruktionen nicht mehr zulässig. Es steht zu erwarten, dass mit der kommenden Neufassung auch die DIN 4108-3 diese Befreiungsregel nicht mehr enthalten wird.

Feuchtevariable Dampfbremsen

Die sommerliche Umkehrdiffusion führt zu einer erhöhten relativen Feuchte an der Dampfbremse. Feuchteadaptive Dampfbremsen, die ihren Diffusionswiderstand abhängig von der Umgebungs­feuchte anpassen können, haben sich für diesen Zweck bewährt. Wenn es auf einen hohen Sperrwert (im Winter) ankommt, besit­zen sie infolge der anliegenden niedrigen relativen Feuchte (be­heiztes Raumklima) einen hohen sd-Wert. Wenn sich die Verhält­nisse im Sommer umkehren, sinkt ihr sd-Wert auf rund ein Zehntel des Winterniveaus und lässt angesammelte Feuchte aus dem Bauteil zum Raum hin ausdiffundieren. Die Wirkung dieser Dampf­bremsfolien lässt sich bei der statischen Berechnung mithilfe des Glaser-Verfahrens nicht abbilden. Mithilfe von modernen dynami­schen Berechnungsverfahren (hygrothermische Simulation nach DIN EN 15026) werden die Unterschiede allerdings sehr deutlich.

Der Einfluss verschiedener Dampfbremsen auf den Wassergehalt der Dachschalung unter einer Flachdachabdichtung bei hoch­gedämmten Gefachen (über mehrere Jahreszyklen hinweg) lässt sich dem nebenstehenden Diagramm entnehmen. (4) Während die Dampfsperre mit einem sd-Wert von 100 Metern zu einer kontinu­ierlichen Auffeuchtung in Folge der konvektiven Belastung führt, strebt der Wassergehalt bei einem sd-Wert von fünf Metern einem Niveau zu, bei dem auch die winterlichen Spitzenwerte nicht mehr die zulässige Grenze von 20 Masseprozent überschreiten. Mit variablen Bahnen liegt der Wassergehalt im Mittel weitere vier bis fünf Masseprozent niedriger und bietet zusätzliche Sicherheiten gegenüber "außerplanmäßigen Befeuchtungen".

Intensive Fachdiskussionen beim Fachkongress Holzschutz und Bauphysik in Leipzig im Jahr 2011 führten zum Konsenspapier "Sieben goldene Regeln für ein nachweisfreies Flachdach" (AKÖH - Arbeitskreis Ökologischer Holzbau e.V. [Hg.]). (6) Diesen Regeln stellten die Autoren der Publikation die folgende eindeutige Aussage voran: "Der Einbau von Dampfsperren in au­ßenseitig dampfdichten Holzkonstruktionen entspricht nicht mehr den Regeln der Technik."

Regeln für den Holzschutz

In einigen Punkten entspricht die Neufassung der Holzschutznorm (DIN 68 800-2:2012) mit dem im Anhang A.20 nachweisfrei ge­stellten Flachdachquerschnitt den Sieben goldenen Regeln:

  • ausreichendes Gefälle unter Berücksichtung der holzbautypi­schen Durchbiegung, um Pfützenbildung auf der Abdichtung zuverlässig zu vermeiden; (7)
  • hohe Strahlungsabsorption der Außenoberfläche als Antriebs­kraft für die Umkehrdif- fusion (dunkle Dachbahnen),
  • Einsatz von geeigneten, feuchtevariablen Dampfbremsen,
  • Einbau von trockenen Holzprodukten für Tragwerk, Schalung.

Holzschutz genau genommen

Die neue Holzschutznorm formuliert zu Tauwasser: "Eine un­zuträgliche Veränderung des Feuchtegehalts durch Tauwasser aus Wasserdampfdiffusion oder Wasserdampfkonvektion ist zu verhindern. Die Bauteile der Gebäudehülle sind gegen Wasser­dampfkonvektion luftdicht auszubilden". So richtig diese allge­meinen Sätze sind, so wenig helfen sie dem Planer oder dem Sachverständigen zu definieren, was noch erlaubt ist. Die Emp­fehlungen des Konsenspapiers werden in diesem Punkt deut­licher: Sie fordern die generelle Überprüfung der Luftdichtheit bei Holzflachdächern. Damit soll zum einen die Luftdurchlässig­keit der Gebäudehülle quantitativ ermittelt werden (q50-Wert in m³ / m²h). Zum anderen dient die Überprüfung auch einer qua­litativen Leckageortung, um gravierende Fehler und Risiken in Teilbereichen entdecken und nachbessern zu können, bevor die Konstruktion endgültig geschlossen wird.

Ausdrücklich verweist das Papier auch darauf, dass keine unkontrollierbaren Hohlräu­me auf der kalten Seite der Dämmschicht existieren dürfen, denn wie im Schadensfall immer wieder festzustellen ist, kann es in diesen unbelüfteten Schichten zu einer Querverteilung von Ein­baufeuchte oder Ähnlichem kommen. Dabei wirken ganz oder teil­weise beschattete Bereiche gleichsam wie ein Feuchtemagnet. (8) Angesichts praktischer Erfahrungen der Schadensgutachter for­dert die siebte Regel, den Feuchtegehalt von Tragwerk und Scha­lung beziehungsweise Holzwerkstoffbeplankung am Ende des Bauprozesses zu messen und zu dokumentieren. Hierbei gilt es vor allem sicherzustellen, dass während der Bauphase keine Auf­feuchtung stattgefunden hat. (9)

Konvektionsschutz im Detail

Zu den strikten Randbedingungen für eine Freigabe von unbelüfte­ten Flachdächern in Holzbauweise ist hinzuzufügen, dass Regelun­gen zur Nachweisbefreiung nicht - wie es oft geschieht - so miss­verstanden werden dürfen, dass andere Varianten grundsätzlich unmöglich wären. Sie bedürfen lediglich eines besonderen Nach­weises. Der Feuchteeintrag aus unvermeidlichen Restleckagen ist am ehesten und sichersten über eine hygrothermische Simulation als Feuchtschutznachweis möglich. Hierbei kann der Feuchteein­trag aus Dampfkonvektion in Abhängigkeit der Luftdurchlässigkeit der Gebäudehülle (q50-Wert in m³/m²h gemäß Luftdichtheitsnorm DIN 4108-7:2010) in die Kalkulation einbezogen und dann vor Ort geprüft werden.

Die Grenzen des Glaser-Verfahrens

Oft wird beim Standard-Tauwassernachweis nach DIN 4108-3 vergessen, dass auch dieser - gerade für Flachdächer - begren­zende Randbedingungen setzt. Der bereits erwähnte Ansatz einer erhöhten Oberflächentemperatur für die Trocknungsperiode in der Berechnung ist nur dann zulässig, wenn Verschattungsfreiheit und hohe Solarabsorption gewährleistet sind. Die neue Holzschutz­norm verlangt sogar für das A.20-Flachdach, dass die "Verschat­tungsfreiheit baurechtlich auf Dauer sichergestellt" sein muss. Dies ist eine harte Randbedingung, die mit dem Bebauungsplan abzu­gleichen und gegebenenfalls im Nachbarschaftsverhältnis grund­buchlich abzusichern ist! Hieran werden wohl die meisten Versu­che, ohne besonderen Nachweis die Holzflachdächer freizugeben, scheitern. Auch dies läuft auf eine objektspezifische Simulations­berechnung zu, da das Glaser-Verfahren Verschattungssituatio­nen nicht darstellen kann.

Explizit verweist die DIN 4108-3 in Ab­schnitt A.2.1 auch darauf, dass Dachbegrünungen und Ähnliches nicht zum Anwendungsbereich der Norm gehören. Sinngemäß gilt dies auch für alle anderen Deckschichten, die die sommerliche Erwärmung reduzieren (Kies, Terrassenbelag). Doch auch solche Dachaufbauten lassen sich mit genaueren Nachweismethoden berechnen. Seit rund 15 Jahren stehen hierfür hygrothermische Simulationsverfahren zur Verfügung. Ihre Berechnungsgrundlagen sind seit 2001 in den WTA-Merkblättern 6-1 und 6-2 festgelegt und in der DIN EN 15026 von 2007 genormt. So empfehlen die Verfasser der Sieben goldenen Regeln die Verwendung eines solchen Planungswerkzeugs, wenn eine der Regeln nicht erfüllt werden kann und ein Diffusionsnachweis nach Glaser nicht an­wendbar ist.

Die Kräfte der Sonne

Besondere Planungssorgfalt kann und sollte hierbei den Strah­lungseinflüssen gewidmet werden. Verschattungen der Dachflä­chen durch Gelände, Bebauung oder auch Aufbauten (zum Bei­spiel Sonnenkollektoren) sind mit geeigneten Berechnungstools zu erfassen (vgl.11, 12).

Bei Deckschichten (Terrassenbelägen, Begrünungen und Bekie­sungen) gilt es verschiedene Ansprüche gegeneinander abzuwä­gen und zu quantifizieren. Bei eher dunklen und unverschatteten Abdichtungen überwiegt die sommerliche Rückdiffusion gegen­über der winterlichen Tauwasserbildung. Daher führen Zusatz­dämmungen oberhalb der Abdichtungen in diesem Fall zu einer etwas ungünstigeren Jahresfeuchtebilanz (siehe Abbildung oben). Dies kehrt sich jedoch um, wenn die Strahlungsgewinne durch Deckschichten oder Verschattungen stark vermindert werden. In diesen Fällen ist es günstiger, einen Teil der Dämmung oberhalb der Schalung und Abdichtung anzuordnen (Richtwert: 30 Prozent der Gesamtdämmstärke). Mit solch einer Konstruktion können nach Schweizer Erfahrungen (vgl. 10) auch Dachbegrünungen nicht nur als feuchtetechnisch funktionstüchtig nachgewiesen werden, sondern auch in der Praxis bestehen.

Doppelt gedichtet hält besser

Abgesehen von den Simulationsergebnissen gibt es einen wei­teren Grund, der unbedingt dafür spricht, Flachdächer mit einer Zusatzdämmung oberhalb der Schalung zu versehen: Auf zwei Dämmebenen lassen sich auch zwei Abdichtungsebenen an­bringen. (13) Insbesondere bei vor Ort verschweißten, einlagigen Kunststoffabdichtungen ist das Risiko immens, durch Fehlstellen der Schweißnähte gravierende Fäulnisschäden in der darunter lie­genden Beplankung und dem Holztragwerk zu provozieren (vgl. 7). Die Kombination einer ersten Dichtungsebene unmittelbar auf der Schalung (die gleichzeitig als Abdichtung während der Bauzeit dient) mit einer bewitterten Abdichtung (beispielsweise auf ei­ner Gefälledämmung) schafft beides: eine sicher beherrschbare Dampfbilanz und den Schutz vor Tauwasser (vgl. 14). Diese untere Abdichtung auf der Beplankung kann und sollte einen hohen Dampfsperrwert aufweisen (Bitumenkaltklebebahnen mit Alu­sperre), um alle Feuchteansammlungen, die in der Aufdachdäm­mung entstehen können, sicher von der Tragwerksebene fernzuhalten - auch die Dampfwanderung durch Diffusion aus der Über­dämmungsebene (vgl. 15). Den Wasserdampfaustausch zwischen Beplankung und Raum regelt die Umkehrdiffusion nach innen - unterstützt durch eine variable Dampfbremse.

 

Fazit

Außenseitig diffusionsoffene Dach- und Wandbauteile garantie­ren die höchste feuchtetechnische Robustheit und Fehlertoleranz. Tafelbauwände mit dampfbremsender Außenseite und innen noch größerer Diffusionsdichtheit haben nur geringe Reserven für "au­ßerplanmäßige Befeuchtungen" und können daher aus bauphy­sikalischer Sicht nur unter der Auflage der Vor-Ort-Prüfung der Leckagedichtheit als ausreichend sicher gegenüber Belastungen aus Wasserdampfkonvektion freigegeben werden. Vollgedämm­te und unbelüftete Flachdächer in Holzbauweise lassen sich mit geeigneten Werkzeugen bauphysikalisch bemessen.

Das Glaser-Verfahren ist hierfür nur eingeschränkt anwendbar - und dann auch nur, wenn ausreichende Trocknungsreserven für konvektive Tauwasserrisiken nachgewiesen werden. Feuchtevariable Dampf­bremsen, helle Dachbahnen, Verschattungen und Deckschichten lassen sich nur mittels hygrothermischer Simulation angemessen in einer dynamischen rechnerischen Diffusionsbilanz berücksich­tigen. Aber auch bei gewissenhafter Planung haben außen dampf­dichte Holzbaukonstruktionen nur eine eingeschränkte Fehlertole­ranz. Deshalb sind die Vor-Ort-Prüfung der Luftdichtheit und der Trockenheit der Hölzer und Holzwerkstoffe (unmittelbar vor dem Schließen der Konstruktion) dringend zu empfehlen, um im Streit­fall den Nachweis der Ausführungsqualität erbringen zu können.

 

Der Autor:

Robert Borsch-Laaks Sachverständiger für Bauphysik, Dozent, Fachautor, geb. 1948, Mitbegründer des Energie- und Umwelt­zentrums am Deister, e. u. [z.], in Springe / Eldagsen bei Hannover, 1988 Gründung der Ingenieurgemeinschaft Bau + Energie im e. u. [z.], seit 1993 freiberufliche Tätigkeit als Bausachverständiger in Aachen, Mitglied im Normenausschuß Bauwesen 005.56.93 AA und den WTA-Arbeitsgruppen Innendämmung im Bestand und Hygrothermische Bemessung von Holzbaukonstruktionen

 

Literaturverweise und Quellen

1 Helmut Wagner: Luftdichtigkeit und Feuchteschutz beim Steildach mit Dämmung zwischen den Sparren, in: Deutsche Bauzeitschrift DBZ 12 / 1989, S. 74.

2 Normbezeichnung für den sd-Wert: »Wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke« im Folgenden kurz »Diffusionssperrwert« genannt. Formel: sd = μ • d mit μ… Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl und d… Dicke einer Materialschicht.

3 Hartwig M. Künzel: Dampfdiffusionsberechnung nach Glaser – Quo vadis?, IBP Mitteilungen 355, Fraunhofer Institut für Bauphysik, Stuttgart / Holzkirchen 1999.

4 Alle hygrothermischen Berechnungen wurden vom Autor mit dem Simulationsprogramm WUFI® 5 (Wärme- und Feuchtetransport instationär) des Fraunhofer Instituts für Bauphysik durchgeführt.

5 AKÖH – Arbeitskreis Ökologischer Holzbau e. V. (Hg.): Holzschutz und Bauphysik. Tagungsband des 2. Internationalen Holz (Bau) Physik- Kongresses, Leipzig 2011 (holzbauphysik-kongress.eu).

6 Download unter: holzbauphysik-kongress.eu.

7 Robert Borsch-Laaks / Axel Eisenblätter: Ohne Netz und doppelten Boden. Risiken von einlagigen Kunststoffabdichtungen bei Flachdächern in Holzbauweise, in: HOLZBAU – die neue Quadriga 5 / 2011, S. 24ff.

8 Martin Mohrmann: Feuchteschäden beim Flachdach – Lehrreiche Beispiele aus der Gutachterpraxis, in: 5, S. 64ff.

9 Borsch-Laaks, Robert / Boromir Radovic / Kurt Schwaner: Akute Einsturzgefahr – Ein Feuchteschaden bei einem flach geneigten Dach mit Begrünung, in: 5, S. 71ff.

10 Markus Zumoberhaus: Sind Schweizer Holzdächer anders? Erfahrungen mit der feuchtetechnischen Dimensionierung unbelüfteter Flachdächer, in: 5, S. 95ff.

11 Robert Borsch-Laaks: Verschattungsanalyse für ein Flachdach, in: 5, S. 74.

12 Christoph Buxbaum / Oskar Pankratz: Im Schatten bleibt es kühl – Feuchteverhalten unbelüfteter Flachdächer mit teilweisen Verschattungen, in: 5, S. 86ff.

13 Bernd Nusser / Martin Teibinger: Flachgeneigte Dächer aus Holz. Planungsbroschüre. Holzforschung Austria, Wien 2010.

14 Bernd Nusser / Martin Teibinger: Gründach versus Foliendach, in: HOLZBAU – die neue Quadriga 5 / 2011, S. 13ff.

15 Daniel Zirkelbach / Beate Schafaczek: Gründächer im Holzbau, in: Holzforschung Austria (Hg.): Bauphysikforum 2011. HFA- Schriftenreihe 32, Wien 2011, S. 74.

16 Daniel Schmidt und Stefan Winter: Flachdächer in Holzbauweise. INFORMATIONSDIENST HOLZSpezial, Bonn 2008.