von Thomas Deines und Sebastian Schreiber
Die Anforderungen an den Wald und seine natürlichen Ressourcen sowie deren verantwortungsvolle Nutzung nehmen aufgrund globaler Entwicklungen weiter zu. Zentrale Herausforderungen für eine wachsende Weltbevölkerung sind Ernährungssicherung, Rohstoff- und Energieversorgung, die Erhaltung unserer natürlichen Umwelt und biologischen Vielfalt sowie der Klimawandel. In einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Entwicklung kommt klima-, umwelt- und naturschonender Produktion nachwachsender Rohstoffe eine zentrale Bedeutung zu.
Knapper werdende endliche Rohstoffe sollen effizienter genutzt und soweit möglich durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Dem ökologischen Rohstoff Holz kommt bei dieser Entwicklung eine Schlüsselrolle zu, weil er im stofflichen und energetischen Bereich als nachwachsender Rohstoff und erneuerbarer Energieträger eingesetzt werden kann. Holz ist der bedeutendste nachwachsende Rohstoff in Deutschland.
Der Wald als Produktionsstätte des Rohstoffs Holz hat für die Menschen in Deutschland eine besondere Bedeutung. Er prägte die deutsche Kultur und fand Niederschlag in Mythen, Sagen, Gedichten und Liedern. Schon immer war der Wald aber auch Wirtschaftsfaktor, Rohstofflieferant, Klimaregulator, Lebensraum für Flora und Fauna und Rückzugsraum für die Menschen. Sein Erscheinungsbild wurde dabei im Laufe der Zeit wesentlich durch die Einflussnahme und wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen geprägt. Eine wachsende Bevölkerung und ein immens steigender Holzbedarf führten bis ins 19. Jahrhundert zu einer massiven Übernutzung der Wälder. Großflächig verschwanden die Wälder; selbst Waldgebiete wie der Schwarzwald wurden weitgehend kahl geschlagen.
In Zeiten wachsender Holznot und drohender Ausbeutung der Wälder reifte in Deutschland deshalb vor rund 300 Jahren die Erkenntnis, dass nur ein nachhaltiges Wirtschaften künftigen Generationen denselben Nutzen aus dem Wald sichern kann. Während sich dieser Grundsatz in den Anfängen zunächst nur auf die Holzversorgung bezog, entwickelte die Forstwirtschaft das Prinzip der Nachhaltigkeit bis in die heutige Zeit kontinuierlich weiter. Heute verfolgt die nachhaltige Forstwirtschaft das Ziel, dauerhaft die vielfältigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungen des Walds zum Nutzen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen sicherzustellen.
Die Landesfläche in Deutschland beträgt elf Millionen Hektar. Etwa ein Drittel dieser werden - und das meist seit mehreren Generationen - nachhaltig forstlich bewirtschaftet. In den vergangenen 40 Jahren nahm die Waldfläche deutschlandweit um eine Million Hektar zu. Bei überwiegend günstigen Wuchsbedingungen in Deutschland ist der jährliche Holzzuwachs seit Jahrzehnten größer als die Holzentnahme. Dadurch wurden erhebliche Holzvorräte aufgebaut.
Wald und Forstwirtschaft sind eng mit dem Klima und dem Klimawandel verbunden. Der Wald ist Problem und Lösung zugleich. Während der Erhalt der Wälder sowie eine nachhaltige Waldwirtschaft und Holznutzung das Klima positiv beeinflussen, wirken sich Klimaänderungen negativ auf Waldbestände aus. Durch die Kohlenstoffspeicherung in den Wäldern, den Ersatz fossiler Energieträger und durch Einlagerung von Kohlenstoff in langlebigen Holzprodukten kann CO2-Freisetzung vermieden beziehungsweise reduziert werden.
Die Potenziale der heimischen Wälder zur Verbesserung des Klimaschutzes über die Nutzung von Holz aus der Region werden laut aktuellem Stand noch immer nicht ausgeschöpft. Auf der anderen Seite unterliegt der Wald den klimatischen Veränderungen, die geeignete Anpassungsmaßnahmen erfordern. Dies ist oft durch die langen Zeiträume bei der Waldbewirtschaftung eine besondere Herausforderung. Waldbestände die heute begründet werden, müssen auch mit dem Klima im 22. Jahrhundert zurechtkommen.
Eine effiziente und nachhaltige Waldwirtschaft, der sparsame Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie eine regionale, verarbeitungsnahe Rohstofferzeugung sind nicht nur unter Aspekten der Ökobilanz betrachtet von hoher Relevanz. Sie sind auch eine wichtige Grundlage für eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Holzwirtschaft.
Der Wald erfüllt darüber hinaus wesentliche Funktionen für Mensch, Natur und Umwelt. Er ist Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Klimaregulator, Schutzwald in Steillagen, Trinkwasser- und Luftfilter, Erholungsraum und vieles mehr. Die Funktionen des Walds und die Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung sind in den Wald- und Naturschutzgesetzen verankert.
Der größte Teil der Waldfläche ist auf Basis hochwertiger Kriterien nachhaltiger Forstwirtschaft nach FSC (Forest Stewardship Council) zertifiziert und nach dem System des PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) anerkannt. Für Verbraucher und Holzverwender wird damit eine geschlossene Rohstoffkette vom Wald ins Werk dokumentiert und sichergestellt, dass das Holz tatsächlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.
Forderungen zur Sicherung der Umwelt- und Naturschutzleistungen des Walds auf der einen Seite stehen einem weiter steigenden Holzbedarf auf der anderen Seite gegenüber. Der prognostizierte rasch verlaufende Klimawandel und die Anforderungen aus der Europäischen Schutzgebietskulisse Fauna-Flora-Habitat (FFH-Richtlinie) stellt die naturnahe Waldwirtschaft vor neue Herausforderungen.
Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union, die 1992 von den Mitgliedstaaten der EU einstimmig beschlossen wurde. Zusammen mit der Vogelschutzrichtlinie dient sie der Umsetzung der Berner Konvention. Wesentliches Instrument ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten, das unter dem Begriff Natura 2000 zusammengefasst wird. Das Verschlechterungsverbot für die Lebensräume der Tier- und Pflanzenarten in FFH-Gebieten veränderte die Sensibilität im Umgang mit dem Wald. Für die mit dem Wald wirtschaftenden Beschäftigten erweiterte sich das ökologische Bewusstsein.
Die ökologische Säule im Dreiklang der Nachhaltigkeit bekommt dadurch eine deutliche Aufwertung. Jede Eingriffsmaßnahme, etwa die Holzernte, wird auf das Verschlechterungsverbot ausgerichtet. Alte, starke Bäume beziehungsweise absterbende Bäume und Baumgruppen bleiben beispielsweise im Wald für Arten wie Spechte und Käfer stehen. Dieser bewusste Nutzungsverzicht ist ein monetärer Beitrag der Waldbesitzenden für die Erhaltung der Artenvielfalt und ihrer Lebensräume.
Ziel der Forstwirtschaft ist es, eine den zukünftigen Anforderungen angepasste, tragfähige Balance zwischen den steigenden Ansprüchen an den Wald und seiner nachhaltigen Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Grundlage dafür ist die gleichrangige Beachtung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie, Soziales. Eine nachhaltige Nutzung des Walds erfordert die gleichgewichtige Verbindung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit mit ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit.
Bei der naturnahen Bewirtschaftung geht im Wesentlichen um die Erhaltung, Pflege und Entwicklung naturnaher, leistungsstarker sowie ökologisch und physikalisch stabiler Wälder und ihre genetische Vielfalt. Der Waldbau orientiert sich dabei an der Natur und richtet sich multifunktional und integrativ aus. So werden die ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele auf der gesamten Waldfläche optimal erreicht.
Grundlage bildet eine an den Standort angepasste Baumartenwahl. Dabei werden natürliche Abläufe und Selbsterneuerungsmechanismen ausgenutzt. Hat zum Beispiel ein Sturm Fichten auf einem für diese Baumart ungeeigneten Standort geworfen, wird die baumlose Fläche unter Nutzung natürlicher Abläufe - mit Bäumen, die an den jeweiligen Standort angepasst sind und ohne menschliches Handeln in der Vergangenheit darauf wachsen würden - wieder bewaldet. Die Wirtschaftenden begleiten die An- und Aufwuchsphase des neuen Walds, indem schädigende Begleitvegetation entfernt und die Pflanzen vor Verbiss durch Wild geschützt werden.
Der prognostizierte rasch verlaufende Klimawandel stellt die naturnahe Waldwirtschaft vor besondere Herausforderungen: Zeitpunkt, Art und Umfang sowie regionale Auswirkungen zugrunde liegender Klimaszenarien sind mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet.
Die waldbauliche Planung muss aus diesem Grund künftig flexibler sein und kontinuierlich adaptiert werden. Deshalb kommt einer standortsorientierten Baumarteneignung besondere Bedeutung zu. Risikoreiche Wälder und Risikostandorte werden analysiert und ein auf das Risiko abgestimmtes Behandlungskonzept durchgeführt. Darüber hinaus wird das Risiko vermindert, beispielsweise durch Mischwälder, Erweiterung der Baumartenzahl und Förderung wärmeangepasster und trockentoleranter Baumarten. Der Anteil anpassungsfähiger, dynamischer Waldverjüngungsphasen wird erhöht. Einzelbäume und Waldbestand werden durch verschiedene Maßnahmen, etwa die Waldkalkung, vitalisiert und stabilisiert.
Die Nachfrage nach Holz in Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. 2002 lagen Einschlag und Verbrauch von Rohholz in Deutschland bei rund 48 Millionen Kubikmeter. Bis 2010 erhöhten sich Einschlag und Verbrauch auf rund 70 Millionen Kubikmeter. Der Nadelholzverbrauch stieg sowohl für die stoffliche als auch für die energetische Verwertung. Einschlag und Verwendung von Laubrohholz zur energetischen Verwendung stiegen ebenfalls dynamisch; dagegen war für den Verbrauch für stoffliche Zwecke ein Rückgang von 30 Prozent zu beobachten. Der Anteil von Laubholz an der stofflichen Verwertung im Inland sank bei einem Anstieg des Gesamtverbrauchs um rund zehn Millionen Kubikmeter von 15 Prozent auf 8,5 Prozent.
Diese Verwendungsstrukturen stehen im Moment noch im deutlichem Widerspruch zur Holzartenverteilung im deutschen Wald. Laubbäume haben einen Anteil von 43 Prozent an der bestockten Holzbodenfläche von rund zehn Millionen Hektar, Tendenz steigend. Der moderne Holzbau muss mit neuen Produkten aus Laubholz darauf Antworten finden und sich dieses Potenzial erschließen, um auch in Zukunft mit Holz aus der Region bauen zu können.
Die Autoren:
Thomas Deines, Öffentlichkeitsarbeit und Holzmarketing beim Landesbetrieb ForstBW im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, geb. 1970, seit 2003 Vorstandsmitglied im Landesbeirat Holz Baden-Württemberg, Leiter Arbeitskreis Marketing, 2002-2008 Mitglied im Beirat der Entwicklungsgemeinschaft Holzbau in der Deutschen Gesellschaft für Holzforschung, Jury-Mitglied für den Holzbaupreis Baden-Württemberg, 2007-2009 stellvertretender Pressesprecher im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum.
Sebastian Schreiber, Öffentlichkeitsarbeit und Holzmarketing beim Landesbetrieb ForstBW im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, geb. 1975, Studium Forstwirtschaft an der FH Eberswalde, 2000-2010 verschiedene Stationen als Revierleiter mit Ausbildungsbetrieb, Einsatzleiter in der zentralen Holzbereitstellung, 2012 Mitglied im Organisationsteam zum Holzbaupreis Baden-Württemberg.
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Waldstrategie 2020, Bonn 2011
BMELV: Charta für Holz, Berlin 2004
Clusterstudie Forst und Holz, Baden-Württemberg 2010
Bundeswaldinventur 1 und 2 (bundeswaldinventur.de)
Geschäftsberichte ForstBW 2009, 2010 (forstbw.de)