Baurechtliche Grundlagen für den mehrgeschossigen Holzbau

von Martin Gräfe und Stefan Winter

 

Bei den Kennwerten für die Standsicherheit ist der Systemholzbau mit anderen Bauweisen gut vergleichbar, bzw. als Alternative zum konventionellen Massivbau konkurrenzfähig. Trotz der erhöhten Regeldichte für den Nachweis für den Brandschutz ermöglicht das geltende Baurecht die Realisierung von Holzbauten bis Gebäudeklasse 4.

Die Musterbauordnung MBO 2002 teilt Gebäude in fünf Gebäu­deklassen sowie Sonderbauten ein und definiert in Abhängigkeit von diesen Gebäudeklassen Anforderungen an die Standsicher­heit und den Brandschutz sowie die dafür erforderlichen Nachweise. Die Gebäudeklassen gliedern sich wie folgt:

Gebäudeklasse 1: frei stehende Gebäude mit einer Höhe bis zu sieben Metern und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 Quadratmetern.

Gebäudeklasse 2: Gebäude mit einer Höhe bis zu sieben Metern und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 Quadratmetern.

Gebäudeklasse 3: sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu sieben Metern.

Gebäudeklasse 4: Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 Metern; Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 Quadratmetern.

Gebäudeklasse 5: sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 22 Metern, die nicht unter die Sonderbauten fallen.

Sonderbauten: wie zum Beispiel Hochhäuser mit einer Höhe von mehr als 22 Metern oder Versammlungsstätten.

Die Höhe im Sinne der MBO ist dabei jeweils das Maß der Fuß­bodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist - über der Geländeoberfläche im Mittel. Die Höhenbeschränkungen sind teilweise durch die Feuer­wehrausrüstung begründet, so sind 22 Meter die größte Höhe, die sich mit einem typischen Drehleiterfahrzeug noch erreichen lässt.

Das primäre Schutzziel im Brandschutz nach § 14 MBO lautet: "Bauliche Anlagen sind so zu errichten, [...], dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorge­beugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind."

Zur konkreten Umsetzung dieses allgemeinen Schutzziels werden in Abhängigkeit der Gebäudeklassen für tragende und ausstei­fende Bauteile einerseits Anforderungen an die Brennbarkeit der verwendeten Baustoffe und andererseits an den Grad der Feuer­widerstandsfähigkeit gestellt.

In diesem Punkt liegt die wesentliche Neuerung der MBO 2002 für den Holzbau: Für Gebäude in Gebäudeklasse 4 (GK4) besteht die Möglichkeit, hochfeuerhemmende Bauteile zu verwenden, "deren tragende und aussteifende Teile aus brennbaren Baustof­fen bestehen und die allseitig eine brandschutztechnisch wirksa­me Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen (Brandschutz­bekleidung) und Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen haben". Tragende Gebäudestrukturen aus Holz sind somit bis zur Gebäudeklasse 4 ohne die Genehmigungen von Abweichungen in hochfeuerhemmender Bauweise möglich geworden.

Hochfeuerhemmende Bauteile

Zur Spezifizierung der Anforderungen an hochfeuerhemmen­de Holzbauteile und deren Brandschutzbekleidungen wurde die Muster-Holzbaurichtlinie (M-HFHHolzR) erstellt, die inzwischen in allen Bundesländen bauaufsichtlich eingeführt ist. Sie gilt für Holztafel-, Holzrahmen- und Fachwerkbauweise "mit einem ge­wissen Grad der Vorfertigung", bisher aber nicht für Holzmassiv­bauweisen, ausgenommen die Brettstapelbauweise.

Die Richtlinie legt Anforderungen hinsichtlich der zu verwenden­den Baustoffe, der Brandschutzbekleidungen und ihrer konstruk­tiven Ausbildung fest. Sie gibt außerdem Konstruktionsgrundsätze für die Gestaltung von Fugen, Ecken, Bauteilanschlüssen, Öffnun­gen und Installationsführungen vor und enthält Richtzeichnungen für typische, häufig vorkommende Details. Praktisch bedeutet das für die Gestaltung von hochfeuerhemmenden Holzbauteilen:

  • Die Bekleidung muss durchgängig sein und aus mindestens zwei Lagen nicht brennbarer Plattenwerkstoffe mit einer Gesamtdicke von rund 30 bis 40 Millimetern bestehen.
  • Fugen innerhalb einer Bauteilfläche und an Bauteilecken und -an­schlüssen müssen mit Versatz oder Nut-und-Federverbindungen hergestellt werden.
  • Dämmstoffe müssen nicht brennbar sein und einen Schmelz­punkt von mindestens 1.000 Grad Celsius aufweisen.
  • Die Führung von Installationen innerhalb der Bauteile ist stark eingeschränkt; gegebenenfalls sind Installationsebenen vor der Brandschutzbekleidung anzuordnen.

Durch diese Anforderungen sollen

  • ein Brennen tragender und aussteifender Holzkonstruktionen,
  • die Einleitung von Feuer und Rauch in die Wand- und Decken­bauteile über Fugen, Installationen oder Einbauten sowie eine Brandausbreitung innerhalb dieser Bauteile und
  • die Übertragung von Feuer und Rauch über Anschlussfugen von raumabschließenden Bauteilen in angrenzende Nutzungseinhei­ten oder Räume verhindert werden.

Die Brandschutzbekleidung besitzt die Aufgabe, eine Entzündung der tragenden und aussteifenden Holzkonstruktion über einen Zeitraum von mindestens 60 Minuten zu verhindern. Der dahinter liegende Gedanke ist, dass sich die Tragkonstruktion innerhalb der Schutzzeit nicht am Brandgeschehen beteiligen soll und sich das Bauteil damit insgesamt wie eine entsprechende mineralische Massivkonstruktion verhält. Die Einhaltung dieser Eigenschaften wird durch die Klassifizierung K260 nach DIN EN 13501-2 er­reicht, die Prüfung der Bauteile erfolgt nach DIN EN 14135. Das wesentliche Prüfkriterium ist, dass sich die Oberfläche der zu schützenden Tragkonstruktion auf nicht mehr als durchschnittlich 250 Grad Celsius und lokal an einzelnen Stellen bis zu 270 Grad Celsius über der Ausgangstemperatur aufheizen darf und damit noch unter der Zündtemperatur von Holz bleibt.

Die Bauregelliste

Das Bauprodukt "hochfeuerhemmende Holzbauteile" ist in der Bauregelliste (BRL) A Teil 2, Nr. 2.44 gelistet. Vorgeschrieben wird dort ein Verwendbarkeitsnachweis in Form eines allgemei­nen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP) und ein Übereinstim­mungszertifikat (ÜZ) zur Sicherstellung der geforderten Eigen­schaften durch eine anerkannte Prüfstelle. Nach § 24 MBO ist ein Übereinstimmungszertifikat von einer Zertifizierungsstelle "zu erteilen, wenn das Bauprodukt [...] dem abP [...] entspricht und einer werkseigenen Produktionskontrolle sowie einer Fremdüber­wachung [...] unterliegt". Die Fremdüberwachung ist von Überwa­chungsstellen nach § 25 MBO durchzuführen und "hat regelmä­ßig zu überprüfen, ob das Bauprodukt [...] dem abP entspricht."

Überwachungs- und Zertifizierungsstellen nach § 25 MBO wer­den von der obersten Bauaufsichtsbehörde anerkannt, "wenn die erforderlichen personellen und technischen Anforderungen erfüllt sind und die Gewähr dafür bieten, dass die Aufgaben den öffent­lich-rechtlichen Vorschriften entsprechend wahrgenommen wer­den." Im Rahmen der Fremdüberwachung wird zunächst geprüft, ob die personelle, organisatorische, gerätemäßige und räumliche Ausstattung eine ordnungsgemäße Fertigung erwarten lässt. Während der Fertigung wird die Übereinstimmung der produzier­ten Bauteile mit den zugrunde liegenden technischen Regeln ge­prüft und dokumentiert. Dazu kommt die Prüfung der bautechni­schen Unterlagen, der Nachweise der verwendeten Baustoffe und der konstruktiven Ausbildung der Bauteile.

Wenn also ein Betrieb die Fertigung hochfeuerhemmender Bauteile in Holzbauweise be­ginnen möchte, muss er sich von einer anerkannten Prüf- und Zer­tifizierungsstelle fremdüberwachen und für die gefertigten Bau­teile ein Übereinstimmungszertifikat ausstellen lassen. Erst dann dürfen die hochfeuerhemmenden Holzbauteile mit dem Ü-Zeichen versehen, in Verkehr gebracht und in einem Gebäude eingebaut werden. Die M-HFHHolzR fordert zudem die Überwachung und Bescheinigung der ordnungsgemäßen Bauausführung durch die Bauaufsichtsbehörde beziehungsweise einen von ihr beauftragten Prüfsachverständigen oder Prüfingenieur für Standsicherheit.

Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse

Die nach der Bauregelliste erforderlichen allgemeinen bauauf­sichtlichen Prüfzeugnisse wurden von den Herstellern von Be­kleidungswerkstoffen speziell für ihre Produkte oder, allgemeiner, für genormte Plattenwerkstoffe von Forschungsstellen beantragt. Sie definieren dabei jeweils den Aufbau einer ungestörten Wand- beziehungsweise Deckenfläche mit allen erforderlichen Angaben hinsichtlich der zu verwendenden Baustoffe und der genauen Aus­führungsart. Die Ausführung von Fugen, Ecken, Bauteilanschlüs­sen, Installationen und Öffnungen etc. wird nicht explizit festge­legt, sondern ist stets auf den Einzelfall abgestimmt entsprechend den Leitdetails und Regelungen der M-HFHHolzR auszuführen. Es liegen zum gegenwärtigen Stand sieben allgemeine bauauf­sichtliche Prüfzeugnisse (abPs) für hochfeuerhemmende Wand-und Deckenholzkonstruktionen entsprechend der M-HFHHolzR und BRL A, Teil 2, Nr. 2.44 vor. Sie wurden von Herstellern für Brandschutzbekleidungen (Fermacell und Knauf) oder der DGfH bei der Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt (MFPA) Leipzig und der Materialprüfanstalt (MPA) Braunschweig beantragt.

Ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis bezieht sich auf Wände der Anforderungsklasse REI 90-M / K260 mit zusätzlicher mechanischer Stoßbeanspruchung. Der Unterschied liegt hier im Wesentlichen in der Anordnung einer zusätzlichen Holzwerkstoff­platte unter der Brandschutzbekleidung. Die Brandschutzbeklei­dung nach M-HFHHolzR der Kapselklasse REI 60-K260 besteht in der Regel aus zwei Gipskarton-Feuerschutzplatten (GKF) oder Gipsfaserplatten mit einer Stärke von 18 Millimetern. Nach einigen Prüfzeugnissen können alternativ auch 1 × 25 mm + 1 × 12,5 mm GKF, 1 × 18 mm + 2 × 10 mm GKF, 3 × 12,5 mm GKF oder 4 × 10 mm GKF als Aufbau verwendet werden. Die Anwendung von Alternativen mit mehr als zwei brandschutztechnischen Be­kleidungslagen dürfte sich aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen auf wenige Ausnahmen beschränken.

Bei der Planung eines konkreten Bauvorhabens mit hochfeuer­hemmenden Holzbauteilen muss ein entsprechendes Prüfzeugnis ausgewählt und dessen Anforderungen in der Ausführung umge­setzt werden. Es bildet zudem die Grundlage der vorgeschriebe­nen Fremdüberwachung, bei der unter anderem kontrolliert wird, ob die im Prüfzeugnis festgelegten Anforderungen praktisch um­gesetzt wurden. Wenn das verwendete Prüfzeugnis (geringfügig) von Festlegungen in anderen Regelwerken wie der M-HFHHolzR abweicht, sind die Angaben im Prüfzeugnis maßgebend.

Abweichungen und Kompensationsmaßnahmen

In fast keinem der bisher ausgeführten Bauvorhaben im Geltungs­bereich der M-HFHHolzR wurde den dortigen Regelungen voll­ständig gefolgt, es mussten also Abweichungen beantragt und entsprechende Zustimmungen erteilt werden. Dies hatte teilwei­se wirtschaftliche und praktische, oft aber auch gestalterische Gründe. Abweichungen definiert die MBO 2002 in § 3 Absatz 3 wie folgt: "Die von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten. [...] Von den Technischen Baubestimmungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung im gleichen Maße die allgemeinen An­forderungen des Absatzes 1 erfüllt werden; [...]".

Den Nachweis, dass beim Abweichen von einer technischen Re­gel deren Zweck auf andere Weise entsprochen wird, hat der Bau­herr zu erbringen. Gelingt dieser Nachweis, besteht auf die Ge­nehmigung der Abweichungen ein Rechtsanspruch. Im Falle von Abweichungen ist somit ein ganzheitliches Brandschutzkonzept erforderlich, in welchem nachgewiesen wird, dass die Schutzziele nach § 14 MBO durch die abweichende Lösung in gleicher Weise erreicht werden. Wie das im Einzelfall geschieht, lässt sich nicht pauschal beantworten, da immer die Gegebenheiten des jewei­ligen Gebäudes und die sonstigen örtlichen Randbedingungen (Möglichkeiten und Ausstattung der lokalen Feuerwehr) zu be­rücksichtigen sind.

Die häufigsten Abweichungen betrafen die Punkte:

  1. Verwendung von sichtbaren Holzoberflächen,
  2. das heißt teilweise Weglassung der Kapselung,
  3. Reduzierung der Kapselklasse auf beispielsweise K230,
  4. Verwendung brennbarer Dämmstoffe (Zellulose etc.),
  5. Verwendung von Massivholzbauteilen als Tragstruktur.

Zu sichtbaren Holzoberflächen

Dieser Punkt hat erfahrungsgemäß die höchste Relevanz, da oft von Bauherren- und Architektenseite gewünscht wird, in einem "Holzhaus" auch die Holzoberflächen zumindest teilweise sicht­bar und damit für den Nutzer erlebbar werden zu lassen. Insbe­sondere sind oft unbekleidete Deckenuntersichten geplant und mit entsprechenden Kompensationsmaßnahmen auch ausgeführt worden. Durch die Kapselung von Holzbauteilen soll verhindert werden, dass sich die Gebäudestruktur innerhalb der Schutzzeit am Brandgeschehen beteiligt, das heißt das gekapselte Holz­bauteil soll sich innerhalb der ersten 60 Minuten wie eine ent­sprechende mineralische Massivbaustruktur verhalten. Auf diese Weise werden Hohlraumbrände verhindert und der Feuerwehr ein sicherer und wirksamer Löscheinsatz ermöglicht.

Mit der Verwendung von unbekleideten Massivholzbauteilen wer­den nun zusätzliche immobile Brandlasten in das Gebäude ein­gebracht. Eine mögliche Kompensationsmaßnahme bildet daher die Verkleinerung der Nutzungseinheiten, damit in einem Brandab­schnitt die Brandlasten annähernd gleich groß bleiben. Eine wei­tere sinnvolle Maßnahme kann der Einsatz einer Brandmeldean­lage mit untereinander vernetzten Meldern kombiniert mit einem transparenten Brandschutzbeschichtungssystem sein, um einen frühzeitigen Einsatz der Feuerwehr und eine Selbstrettung der Be­wohner vor der großflächigen Entzündung der Holzoberflächen zu ermöglichen. Die Holzbauteile selbst müssen in diesem Fall nach DIN EN 1995-1-2 für den Brandfall bemessen sein.

Wenn eine automatische Löschanlage vorhanden ist, sind sicht­bare Holzoberflächen auch in größerem Umfang denkbar. Für übliche Wohnbauten ist diese Maßnahme allerdings oft nicht fi­nanzierbar, da neben den Installationskosten auch hohe laufende Aufwendungen für die Wartung und Instandhaltung anfallen. Zu­dem sind die Feuerwehren gegenüber automatischen Löschanla­gen in Wohngebäuden sehr kritisch eingestellt.

Voraussetzung ist in jedem Fall eine hohlraumfreie Bauweise, um schwer löschbare Brände im Inneren und eine unkontrollierbare Brandweiterleitung zu vermeiden. Kritisch sind in diesem Zusam­menhang zum Beispiel Brettsperrholzelemente zu sehen, deren Bretter der inneren Lagen nicht hinreichend dicht aneinander lie­gend verleimt sind.

Fluchtwege und notwendige Flure und Treppen sollten immer mit nicht brennbaren Oberflächen ausgestattet sein. Sinnvoll ist daher in der Regel die Ausbildung des Treppenhauses mit Stahlbeton; es kann auf diese Weise auch gut zur Gebäudeaussteifung her­angezogen werden.

Zur Reduzierung der Kapselklasse

Aufgrund der Kapselung und der oft aus Gründen des Schall- und Wärmeschutzes vorhandenen dicken Mineralwolledämmung er­reichen hochfeuerhemmende Holzbauteile oft insgesamt Feuerwi­derstände von bis zu 120 Minuten und sind somit für die reine Feu­erwiderstandsdauer überdimensioniert. Die Anforderung "K260" resultiert nicht aus dem Schutzziel, die Selbstrettung der Bewoh­ner oder die Rettung verbliebener Personen durch die Einsatzkräf­te zu ermöglichen, da diese Vorgänge gewöhnlich innerhalb der ersten 20 Minuten nach der Branderkennung abgeschlossen sind.

Vielmehr soll ein wirksamer Löscheinsatz ohne Gefährdung der Einsatzkräfte ermöglicht werden. Wenn also eine frühzeitige Alar­mierung der Feuerwehr durch eine automatische Brandmeldean­lage mit Aufschaltung zur Feuerwehr garantiert wird, erscheint es vertretbar, eine Reduzierung der Kapselklasse zuzulassen. Eine Brandmeldeanlage mit Aufschaltung zur Feuerwehr ist jedoch mit hohen Investitions- und Folgekosten verbunden und sollte zudem Sonderbauten wie Krankenhäusern, Versammlungsstätten, Pfle­geheimen und großen Verkaufsstätten vorbehalten bleiben.

Eine weitere mögliche Kompensationsmaßnahme ist auch hier der Einbau einer automatischen Löschanlage, was allerdings mit ho­hen Kosten verbunden ist. Es kann sich allerdings lohnen darüber nachzudenken, ob nicht die Kosten einer einfachen, aber wirkungs­vollen Löschanlage durch die hohen möglichen Einsparungen bei der Reduzierung der Kapselklasse aufgefangen oder sogar über­troffen werden. Bezüglich der sogenannten "home-sprinkler", wie sie in Nordamerika umfangreich eingesetzt werden, besteht aber in Deutschland noch erheblicher Entwicklungsbedarf, um sie in die bestehenden Regelwerke sinnvoll einzubinden.

Zu brennbaren Dämmstoffen

Die MBO 2002 schreibt die Verwendung nicht brennbarer Dämm­stoffe vor, die zudem nach der M-HFHHolzR einen Schmelzpunkt von mindestens 1.000 Grad Celsius aufweisen müssen. Praktisch beschränkt das die Auswahl verwendbarer Dämmstoffe weitge­hend auf Mineralwolle. Bei der Beurteilung der Frage, ob trotzdem auch brennbare biogene Dämmstoffe wie eingeblasene Zellulose­flocken Verwendung finden können, ist vor allem das Pyrolysever­halten des Dämmstoffs ausschlaggebend. Die Bildung von brenn­baren Pyrolysegasen im Inneren der Konstruktion ist in jedem Fall zu verhindern, da deren Ausbreitung in benachbarte Nutzungseinhei­ten und Hohlräume nicht sicher auszuschließen ist. Entscheidend ist somit die genaue Kenntnis der Entzündungstemperaturen und des Pyrolyseverhaltens des Dämmstoffs. DIN 13501-2 fordert eine maximale Temperaturerhöhung von im Mittel 250 Grad Celsius, die auf die Entzündungstemperatur von Holz (etwa 300 Grad Celsius) ausgerichtet ist und das Verkohlen beziehungsweise An­brennen der Holztragstruktur verhindern soll. Die pyrolytische Zer­setzung von einigen brennbaren Dämmstoffen beginnt dagegen teilweise bereits bei deutlich geringeren Temperaturen.

Es ist da­her zu empfehlen, zum Nachweis der Verwendbarkeit brennbarer Dämmstoffe entsprechende Brandversuche durchzuführen. Sinn­voll ist zusätzlich zur Anordnung einer entsprechend den Eigen­schaften des Dämmstoffs geeigneten Bekleidung die flächende­ckende Ausstattung mit Rauchmeldern analog zu den Maßnahmen bei Verwendung von brennbaren Bauteiloberflächen.

Zur Verwendung von Massivholzbauweisen

Der Geltungsbereich der M-HFHHolzR erstreckt sich nur auf die Holztafel-, Holzrahmen- und Fachwerkbauweise und schließt so die Verwendung von Massivholzbauteilen wie Brettsperrholz aus. In der Richtlinie enthalten sind bisher ausschließlich Brettstapel­decken. Aus Sicht der Verfasser spricht allerdings nichts gegen die Verwendung von Massivholz als Tragstruktur, da dadurch die brandschutztechnischen Eigenschaften der Bekleidung nicht ver­schlechtert werden. Die Bauteileigenschaften hinsichtlich Tragfä­higkeit, Raumabschluss und Isolation (R, E und I nach DIN EN 13501-2) werden erfahrungsgemäß sogar eher verbessert. Bei Ausführung der sonstigen Konstruktion und Bekleidung nach der M-HFHHolzR kann auch Massivholz als Tragstruktur ohne größere Probleme verwendet werden, vor allem dann, wenn höhere ver­tikale Lasten abzutragen sind oder Bauteile zur Aussteifung des Gebäudes mit größeren Horizontallasten belastet werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anwendung von Holzbauweisen in Gebäudeklasse 4 inzwischen weitgehend ge­regelt und hinsichtlich der möglichen Ausführungsarten festgelegt ist. Es existieren verschiedene Prüfzeugnisse, die die Ausführung der erforderlichen Kapselbekleidungen definieren. Es ist aller­dings eine Reihe von rechtlichen und formalen Anforderungen zu beachten. Insbesondere Planungsbüros und Holzbaubetriebe, die erstmalig einen Holzbau in den Gebäudeklassen 4 oder 5 umset­zen wollen, sollten sich zu Beginn einen Überblick verschaffen und in diesen Bereichen erfahrene Brandschutzplaner hinzuziehen. Es sind jedenfalls häufig Abweichungen zu beantragen, wie die bis­her ausgeführten Projekte zeigen. Ziel der aktuellen Bestrebungen von Forschung und Praxis ist es daher derzeit, solche am Markt nachgefragten Bauweisen in die technischen Regelwerke aufzu­nehmen, damit sie planungssicher umgesetzt werden können.

Das Bauen mit Holz in Gebäudeklasse 4 ist möglich und kann eine technisch, ökologisch und auch wirtschaftlich attraktive Alternati­ve darstellen, wie inzwischen in etlichen Beispielprojekten nach­gewiesen wurde. Es setzt jedoch noch mehr als bei anderen Bau­weisen eine sehr gute, genaue und bis in alle Details vollständige Planung sowie intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten voraus. Das betrifft besonders das frühzeitige intensive Zusammenarbei­ten von Tragwerks- und Brandschutzplanern, Überwachungsstel­len und Ausführungsfirmen. Besonders zu beachten ist auch, dass Ausbaugewerke wie Elektro- und Sanitärinstallation nicht wie sonst üblich nach Fertigstellung des Rohbaus relativ unabhängig ihre Arbeit beginnen können, sondern ebenfalls sehr frühzeitig in die Planung einzubeziehen sind. Das nachträgliche "ungeplante" Ein­bauen etwa von Elektroinstallationen ist kaum sinnvoll und führt - falls wegen mangelhafter Planung nötig - in der Praxis zu großen Schwierigkeiten.

Bei einer guten und vollständigen Planung kann der Holzbau da­gegen voll seine Vorteile ausspielen: Die Montage auf der Bau­stelle geschieht sehr schnell und trocken; die Vorfertigung findet weitgehend witterungsgeschützt im Werk unter idealen Arbeits­bedingungen und mit einer von anderen Bauweisen unerreichten Sauberkeit und Präzision statt. Die entstandenen Räume sind praktisch sofort bezugsfertig und nutzbar.

Die Autoren:

Stefan Winter Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls für Holzbau und Baukonstruktion an der TU München, geb. 1959, 1993-2003 Fachberater des INFORMATIONSDIENST HOLZ für Hessen, seit 2000 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Holzbau bei der IHK Gießen-Friedberg, 1993 Gründung der bauart Konstruktions GmbH & Co. KG, seit 2006 Prüfingenieur für Baustatik, seit 2012 Vorsitzender des Normenausschusses Bau Fachbereich 04 Holzbau und damit Mitglied im Beirat des Normenausschusses Bau im DIN.

Martin Gräfe Bauingenieur, geb. 1983, 2003-2011 Studium des Bauingenieurwesens in Darmstadt mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau, Diplomarbeit zum Tragverhalten von Holzbauweisen unter Erdbebenbeanspruchung, während des Studiums Mitarbeit an der Universität und in verschiedenen Ingenieurbüros in Darmstadt und Frankfurt am Main, seit 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München.