Erstellung von Ökobilanzen

von Holger König

 

Ein essentieller Aspekt in der Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden ist die anwendungsorientierte und damit praxisnahe Bilanzierung von Stoffeigenschaften und -kreisläufen. Der Begriff der "erneuerbaren" Energie ist hierbei eine maßgebliche Größe und dürfte künftig weiter an Bedeutung gewinnen.

Lange Zeit beschränkte sich die Baustoffkunde ausschließlich auf die Betrachtung der stofflichen, physikalischen und chemischen Eigenschaften der Materialien. Aspekte wie Gesundheit, Komfort, Umweltbelastung und Umweltfolgen spielten dagegen keine Rol­le. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde allmäh­lich ein Zusammenhang zwischen Umwelt- und Gesundheitsschä­den sowie den Aktivitäten der Baustoffindustrie hergestellt. In den Sechziger- und Siebzigerjahren kam es zu Gesundheitsskanda­len im Zusammenhang mit Asbest (Zuschlagstoff in Putzen und Platten), Formaldehyd (Spanplattenkleber) und Pentachlorphenol (Holzgiftmittel). Die Schwefeldioxidproduktion bei Verbrennungs­prozessen wurde in den Siebzigerjahren als Ursache des Wald­sterbens erkannt und das wachsende Ozonloch entstand als Folge der Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasser­stoff (FCKW) aus Treibmitteln, unter anderem für geschäumte synthetische Baudämmstoffe. Die finanziellen Folgen dieser ge­sundheitlichen Schädigungen und Umweltzerstörungen ließen die politischen Institutionen und Behörden aufschrecken und führten in Deutschland und Teilen Europas zu einer Veränderung der wis­senschaftlichen, politischen und juristischen Rahmenbedingungen.

Die Baustoffe

In der Diskussion über die "richtige" Energie ergab sich schnell die Unterscheidung in nicht erneuerbare und erneuerbare Energie. Im Baubereich blieb diese Erkenntnis unberücksichtigt, so dass das Stoffverständnis weiterhin vom naturwissenschaftli­chen Denken des 19. Jahrhunderts geprägt ist und sich an der Gliederung der Chemie in anorganische und organische Stoffe orientiert. Ob die Quelle des Kohlenstoffs eine nachwachsende oder eine endliche Ressource ist, spielt dabei keine Rolle. Eine alternative Einteilung, die die Stoffherkunft berücksichtigt, unter­scheidet zwischen mineralischen, vegetabilen (pflanzlichen), ani­malischen und synthetischen Baustoffen1, wobei die pflanzlichen Stoffe erneuerbaren und die synthetischen nicht erneuerbaren Kohlenstoff enthalten. Die synthetischen Materialien nehmen da­bei eine Zwitterstellung zwischen mineralischen und vegetabilen Stoffen ein, da ihre Ausgangsstoffe zwar ursprünglich pflanzlicher Herkunft sind, sie über Jahrmillionen aber tief greifende Verände­rungen erfahren haben und zu Kohle, Erdgas oder Erdöl umge­wandelt wurden. Einerseits nahezu unverrottbar und andererseits leicht entflammbar, zeigen sie eine zwiespältige Grundcharakte­ristik. Mit der Bedeutung der Knappheit der Ressourcen be­kommt diese Stoffgliederung eine weitreichende Bedeutung, da die fossilen organischen Rohstoffe auf unserem Planeten endli­cher Natur sind.

Baustoffe aus fossilen und nachwachsenden Rohstoffen

Am Beispiel der organischen Baustoffe sollen die spezifischen Stoffeigenschaften und fundamentalen Unterschiede von nicht erneuerbarem und erneuerbarem Kohlenstoff unter ökologischen Gesichtspunkten erläutert werden. Kunststoffe erobern seit über 100 Jahren immer mehr Lebensbereiche, da sie in eng fokussier­ten Nutzungsspektren eindeutige Vorteile gegenüber anderen Ma­terialgruppen aufweisen. Ihnen lassen sich extrem unterschiedli­che Eigenschaften zuweisen, die von sehr geringem bis zu sehr hohem Gewicht, von resistent gegen Fäulnis bis zu verrottungs­fähig, von hart bis weich und von hoch elastisch bis zu reißfähig reichen können. Der in Jahrmillionen entstandene und abgelagerte Kohlenstoff wird durch die Nutzung der fossilen Rohstoffe heute freigesetzt und ergibt durch die Anreicherung in der Atmosphäre das Phänomen des Treibhauseffekts. Pflanzen verwandeln durch Fotosynthese das Kohlendioxid aus der Luft mithilfe der Energie des Sonnenlichts in Saccharide. Diese Grundsubstanz wird un­ter anderem in Zellulose umgebaut, eine Aufbausubstanz für die Faser- und Holzbildung. Dabei wird der für den Menschen lebens­notwendige Sauerstoff freigesetzt. Da der Kohlenstoff im Holz und in den daraus hergestellten Bauprodukten gebunden ist, stellen Bäume, Holzprodukte und Gebäude mit Bauprodukten aus Holz einen - zeitlich limitierten - Kohlenstoffspeicher dar.

Verknappung der Ressourcen

Beinahe jeden Tag wird im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen oder in den Nachrichten im Fernsehen, Radio und Internet über knapp werdende Rohstoffe berichtet. Dies können seltene Erden sein, Metalle oder fossile Rohstoffe. Vor allem der Bauboom in Schwellenländern wie China führt zu kurzfristigen Engpässen und letztlich langfristiger Verknappung nicht erneuerbarer Rohstoffe. Im Unterschied hierzu besitzen die nachwachsenden Rohstoffe ein im Prinzip unerschöpfliches Wachstumspotenzial. Ihre Be­grenzung besteht durch die Verfügbarkeit der Fläche. Die Entnah­me von Baumstämmen zur Nutzung für Produkte schafft Platz für neue Bäume. Wenn das Holz in langfristig nutzbaren Produkten etwa für die Gebäudeproduktion verwendet wird, wächst der Koh­lenstoffspeicher an. Am Ende des Lebenszyklus eines Bauprodukts beziehungswei­se am Ende des Betrachtungszeitraums des Gebäudes wird der nachwachsende Rohstoff wieder dem Gebäude entnommen und beseitigt oder einer anderen Nutzung zugeführt. In der Ökobilan­zierung des Gebäudes wird der Kohlenstoffspeicher dann wieder auf "Null" gestellt.

Lebenszyklusbetrachtung und Ökobilanz

Um die komplexen Umwelteinflüsse bei der Baustoffproduktion und deren Verwendung zu erfassen, ist es notwendig, die in ande­ren Produktzweigen bekannte Methode der Lebenszyklusbetrach­tung auf Bauprodukte anzuwenden. Die dabei zu berücksichtigen­den Prozesse gliedern sich in drei Phasen:

  • Stoffbildung (Gewinnung, Herstellung),
  • Stoffgebrauch (Verarbeitung, Nutzung),
  • Stoffauflösung (Abbruch, Beseitigung / Rückführung).

Die Lebenszyklusbetrachtung verdeutlicht die Folgen von Produktprozessen, auch wenn diese generationenübergreifend sind, das heißt in eine Zukunft von 50 oder 100 Jahren reichen. Die Gliederung in Baustoffe mit nicht erneuerbarem und erneuer­barem Kohlenstoff, der Zurichtungsgrad und die Lebenszyklusbetrachtung finden sich heute in der Ökobilanzierung wieder. Als ganz­heitlicher Ansatz berücksichtigt sie den gesamten Lebenszyklus ein­schließlich des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs und bewertet die damit verbundenen Umweltwirkungen. Während bisher meist nur die direkten Auswirkungen der Herstel­lung bezogen auf Standort oder Nutzung betrachtet und möglichst minimal gehalten wurden, versucht die Methode der Ökobilanz auch Problemverlagerungen an andere Orte oder in andere Um­weltmedien zu berücksichtigen und zu reduzieren. Dieser Ansatz schließt den gesamten Lebenszyklus ein, also neben der Herstel­lung auch die Nutzung und die Entsorgung des Produkts - von der Wiege bis zur Bahre ("cradle to grave").2

Das Ende des Lebenszyklus ("End of Life") eines Mate­rials oder Bauprodukts bedarf einer besonderen Analyse, da in Abhängigkeit von den Rohstoffen unterschiedliche Entsorgungs­wege möglich sind. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse der Ökobilanz. Das Bundesministerium für Ver­kehr, Bauen und Stadtplanung (BMVBS) stellt zur Durchführung der Berechnung eine öffentliche Datenbank mit Ökobilanzmodu­len zur Verfügung (Ökobau.dat - Informationsportal Nachhaltiges Bauen). Die in der Datenbank zum Einsatz kommenden Rechen­regeln entsprechen sowohl internationalen Konventionen als auch branchenspezifischen Regeln. Die hier durchgeführten Ökobilan­zierungen bedienen sich der Datenbank Ökobau.dat als Basisin­formation. Zur Erleichterung der Berechnung sind eindeutige Ent­sorgungsszenarien für bestimmte Rohstoffkategorien vorgegeben. Diese beinhalten in der Folge bestimmte Verrechnungsregeln, etwa Gutschriften für Recyclingpotenziale bei Metallen.

Materialbezogene "End of Life"-Regeln:

  • Mineralische Produkte ins Recycling.
  • Metalle ins Recycling. Gutschriften für Primärprodukte wegen Recyclingpotenzial.
  • Brennbare Produkte (Kunststoffe, Holz, Holzwerkstoffe) in die Verbrennung. Gutschriften über KWK-Stromproduktion.
  • Reststoffe auf die Deponie.

Für die Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen ist von Bedeutung, dass das CO2-Speicherpotenzial, das im Gebäude enthalten ist, auf "Null" gestellt wird. Allerdings wird durch die vorgesehene thermische Verwertung der Rohstoffe die bei der Kraft-Wärmekopplung erzeugte Stromproduktion dem Gebäude gutgeschrieben.

Ökobilanzierung im Vergleich

Für eine vergleichende Ökobilanzierung wurden sechs Gebäu­de ausgewählt, bei denen in vielen Bauteilen nachwachsende Rohstoffe eingesetzt wurden. In Bild 9 sind die wichtigsten Kenndaten dieser Gebäude dargestellt. Die Mo­dellierung und Berechnung der Objekte verfolgte das Ziel, neben dem phy­sischen Gebäudemodell auch ein digitales Informationsmodell mit der exakten Beschreibung des Aufbaus aller Bauteile, der Mengenermittlung und der Lagezuordnung zu formulieren. Dieses Informationsmodell stellte die Grundlage für die Berechnung der Herstellungskosten, des Energiebedarfs, der Lebenszykluskos­ten sowie der Ökobilanz dar. Zu jedem Gebäude wurde zudem eine "Standardausführung" mit konventionellen Bauprodukten, die weitgehend aus nicht nachwachsenden, das heißt aus mine­ralischen, metallischen und synthetischen Rohstoffen bestehen, modelliert. Die aufgelisteten Gebäude sind in Raum, Fläche und Gestalt mit den realen Gebäuden identisch. Sie erfüllen auch dieselben energetischen Zielwerte. Die Modellierung dieser "zweieiigen Zwillinge" macht die Unterschiede der verschiede­nen Konstruktionsweisen deutlich.

Bei den Auswertungen für die Ökobilanz wurden die Gebäude ab der Unterkante Bodenplatte des Erdgeschosses berechnet. Vorhandene Kellerbauteile und Gründungsbauteile sind nicht Bestandteil der Bilanzierung. Die­se Bauteile (Fundamente, Rüttelstampfsäulen, Bohrfundamente, Voll- oder Teilunterkellerung) haben erfahrungsgemäß einen ver­zerrenden Einfluss auf das Ergebnis bezüglich der Funktion des Gebäudes und seiner Materialqualität. Das folgende Diagramm zeigt die unterschiedlichen Werte der Kubaturen sowie die Bruttogrundfläche der sechs Objekte auf. Die Anwendung eines inte­gralen Planungs- und Berechnungswerkzeugs erleichtert die Systematisierung der Qualitäten in den em­pirisch vertrauten Sektoren (Kosten und Energiebedarf) und er­laubt eine Überprüfung der ökologischen Berechnungsergebnisse auf signifikante Unterschiede.

Die Materialwahl

Für diese Untersuchung wurden nur Gebäude ausgewählt, bei de­nen Holz auch die primäre Tragkonstruktion bildet. Werden nach­wachsende Rohstoffe nur punktuell am Gebäude eingesetzt, zum Beispiel in der Fassade, im Fußboden oder in der Dachdämmung, so zeigen sich in der Ökobilanz keine signifikanten Unterschiede zu konventionellen Gebäuden, da die verwendeten Mengen an nachwachsenden Rohstoffen zu gering sind. Erst die Ausführung der Primärkonstruktion, also der tragenden Bauteile der Außen- und Innenwände, der Decken und des Dachs aus Holz oder Holz­werkstoffen führt zu einem sichtbar unterschiedlichen Ergebnis. Die Auswertung der verschiedenen Materialinhalte unterscheidet zwischen nicht erneuerbaren Rohstoffen (mineralisch, metallisch, synthetisch) und nachwachsenden Rohstoffen (Holz, Holzwerk­stoffe, Pflanzen- und Tierfasern). Die Bezugsgröße ist wegen der besseren Vergleichbarkeit der Objekte 1 m2 Bruttogrundfläche über Terrain (Einheit ist Kilogramm).

Deutlich ist zu erkennen, dass die Gebäude aus nachwachsenden Rohstoffen 50 bis 65 Prozent des Gewichts der konventionell gebauten Gebäude erreichen. Darüber hinaus zeigt das Ergebnis den sehr geringen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen bei konventioneller Bauweise von 0,5 bis ein Prozent des Gesamtgewichts des Gebäudes. In Ge­bäuden mit vielen Bauteilen aus nachwachsenden Rohstoffen er­reichen diese bis zu 25 Prozent des Gesamtgewichts. Die Ma­terialgruppe aus nachwachsenden Rohstoffen erreicht keinen höheren Anteil, weil die relativ wenigen mineralischen und metal­lischen Bauteile in den Holzgebäuden eine sehr hohe Rohdich­te aufweisen. Die Bodenplatten der Holzgebäude bestehen aus Beton und wiegen so viel wie zwei Holzdecken mit Bodenaufbau.

Ökobilanz

Die Ökobilanz der Gebäude besteht aus zwei Teilen:
1. Energie- und Stoffflussbilanz mit Ressourcennachweis (inklusive Materialliste), Primärenergienachweis, nicht erneuerbar, erneuerbar.
2. Wirkungsbilanz mit den fünf Indikatoren Treibhauspotenzial, Ozonschichtabbaupotenzial, Sommersmogpotenzial, Versauerungspotenzial, Überdüngungspotenzial.

Die Diagramme stellen alle Gebäu­de im Vergleich dar. Die Bezugsgröße ist 1 m²-Nettogrundfläche (NGF) pro Jahr. Dies entspricht der Bezugsgröße im Zertifizie­rungssystem. Ausgewertet wird nur das Gebäude für einen Be­trachtungszeitraum von 50 Jahren mit den Phasen Herstellung, Instandsetzung und Entsorgung. Die Versorgung mit Energie wird nicht berücksichtigt, da bei beiden Gebäudevarianten dieselben Leistungskennzahlen beim Energiebedarf vorausgesetzt werden. Jeder Indikator spricht ein anderes Problemfeld an, deshalb darf es nicht verwundern, wenn sich die Ergebnisse nicht linear entwi­ckeln, also ein Gebäudetyp nicht bei allen Indikatoren gleich gut abschneidet. Die durchgeführte Ökobilanzierung orientiert sich an den Regeln der in Deutschland existierenden Zertifizie­rungs- und Bewertungssysteme:

  • Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)
  • Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)
  • Bewertungssystem Nachhaltiger Wohnungsbau (BNW) der Wohnungswirtschaft

Der nicht erneuerbare Primärenergiebedarf summiert den Einsatz von endlichen abiotischen energetischen Ressourcen wie Stein­kohle, Braunkohle, Erdöl, Erdgas und Uran. Kohle wird haupt­sächlich zur Energieerzeugung verwendet, die Nutzung von Uran bezieht sich ausschließlich auf die Energieerzeugung in Atomkraft­werken. Erdgas und Erdöl kommen im Wesentlichen zur Energie­erzeugung zum Einsatz, sind aber auch ein stofflicher Bestandteil von Kunststoffen. Alle Holzgebäude erreichen bei der nicht erneuerbaren Primärenergie geringere Werte als die Standardgebäude. Der Unterschied beträgt zehn bis 20 Prozent. Dies liegt an den re­lativ hohen Werten der nicht erneuerbaren Primärenergie für den Kubikmeter trockenes Holz in der Ökobilanzdatenbank. Dadurch entstehen geringere Unterschiede zu den konventionell gebauten Gebäuden, als die Materialmenge erwarten ließe.

Primärenergie erneuerbar

Der erneuerbare Primärenergieverbrauch umfasst die verfügbare Energie in Biomasse, die Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und Geothermie. Der Unterschied zwischen der genutzten End­energie und der dafür notwendig eingesetzten Primärenergie wird durch die Primärenergiefaktoren deutlich. Für eine Kilowattstunde elektrische Endenergie müssen in Deutschland mindestens drei Kilowattstunden Primärenergie eingesetzt werden. Alle Gebäude mit hohem Anteil nachwachsender Baustoffe weisen hohe Anteile von erneuerbarer Primärenergie auf. Es werden fünf- bis achtmal höhere Werte als bei den konventionell gebauten Gebäuden er­reicht. Der hohe Anteil an erneuerbarer Primärenergie resultiert aus dem im Material enthaltenen Heizwert der nachwachsenden Rohstoffe. Der pflanzliche Kohlenstoff belastet die Atmosphäre nicht, wenn er verbrannt oder auf natürliche Weise abgebaut wird.

Treibhauspotenzial

Das Treibhauspotenzial (Global Warming Potenzial) be­schreibt den anthropogenen Anteil an der Erwärmung des Erd­klimas. Es wird als CO2-Äquivalent angegeben. Um die Verweildauer der Klimagase in der Atmosphäre zu berücksichtigen, wird ein Integrationszeitraum angegeben, zum Beispiel für 100 Jahre. Der Indikator Treibhauspotenzial ist nicht geeignet, um eine Aussage über die Menge des gespeicherten Kohlendioxids durch die nachwachsenden Baustoffe im Gebäude während der Nutzungsphase zu treffen, da der Kohlendioxidspeicher am Ende des Lebenszyklus thermisch verwertet wird. Trotz dieses vorge­gebenen Entsorgungsszenarios wird die Entlastungsfunktion des Holzbaus für die Atmosphäre mit Reduktionspotenzialen von 36 bis 70 Prozent gegenüber der Standardbauweise deutlich.

Sommersmogpotenzial

Das Sommersmogpotenzial wird als Ethen-Äquivalent (C2H4-Äquivalent) angegeben. Im Gegensatz zu seiner Filterfunktion in sehr hohen Atmosphärenschichten ist bodennahes Ozon bei hoher Konzentration ein Schadstoff. Verursacher unter den Baustoffen sind vor allem die Lösemittel. Sie entstehen meist beim Aufbringen und späteren Ausgasen aus Beschichtungen. Bei der Berechnung wird zurzeit kein Unterschied zwischen natürlichen Lösemitteln wie zum Beispiel Citrusterpenen und künstlichen Lösemitteln wie Nitrozellulose gemacht. Deshalb darf es nicht verwundern, wenn Gebäude mit Bodenbelägen und Fassadenverkleidungen, die mit Naturharzen beschichtet sind, relativ höhere Werte aufweisen als Gebäude mit vielen mineralischen Oberflächen.

Versauerungspotenzial

Das Versauerungspotenzial wird als Schwefeldioxid-Äquivalent (SO2-Äquivalent) angegeben. Der Effekt der Versauerung des Regens (Verringerung des ph-Werts) entsteht durch Umwandlung von Luftschadstoffen in Säuren. Die Holzgebäude leisten hierbei eine Entlastung, da vor allem die Primärkonstruktion wesentlich geringere Werte als die mineralischen Konstruktionen aufweist. Die Entlastung liegt zwischen 15 bis 30 Prozent für das gesamte Gebäude über den Betrachtungszeitraum.

Abiotischer Ressourcenverbrauch

Die Verknappung der Ressourcen, die nicht den Energieträgern zuzuordnen sind, wird mit dem Indikator abiotischer Ressourcen­verbrauch beschrieben (Einheit kg Antimon-Äquivalent). Es wird somit erstmals möglich, den Beitrag von Holz zur Schonung von nicht erneuerbaren, nicht energetischen Ressourcen aufzuzeigen. Entsprechende Erfahrungen mit diesem Indikator sind noch zu sammeln und Bewertungsgrundlagen zu entwickeln. Die Gebäu­de mit einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe erreichen nur 50 bis 80 Prozent des abiotischen Ressourcenverbrauchs der Standardvariante.

Erweiterung der Nachfrage

Die Vergleiche zwischen Gebäuden in konventioneller Bauweise, die zahlreiche Bauprodukte aus endlichen Ressourcen enthal­ten und Gebäuden mit einem hohen Anteil an Bauprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen haben erhebliche Entlastungspo­tenziale aufgezeigt, die letztere Bauweise für das Ökosystem bie­tet. Ein Großteil der heute üblichen Bauaufgaben vom Wohn- bis zum Gewerbebau lässt sich mit Bauteilen aus nachwachsenden Rohstoffen umsetzen. Bei den gezeigten Objekten wurden Pro­dukte aus nachwachsenden Rohstoffen von der Tragkonstruktion in Außen- und Innenwänden, Decken, Stützen und Dächern über Fassadenverkleidung, Sonnenschutz und Dämmung bis hin zum Innenausbau eingesetzt.

Das Forschungsprojekt zur Ermittlung der Nachwuchspotenziale hat sich zum Ziel gesetzt, das Besondere der Produktgruppe der nachwachsenden Rohstoffe durch eine vergleichende Ökobilanz noch besser herauszuarbeiten. Nachwachsende Rohstoffe un­terscheiden sich von allen anderen Baustoffen durch das Nach­wuchspotenzial, das sich jedoch nur durch Bewirtschaftung von Wald und Feldern realisieren lässt. Gleichzeitig ist heute zu be­tonen, dass Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft nicht unter dem Diktat der Profitmaximierung stehen darf, die sich durch die erkennbaren Folgen von Monokultur, Pestizid- und Düngerein­satz sowie Gentechnik bereits als kurzlebiger Irrtum erwiesen hat. Eine nachhaltige Bewirtschaftung behält immer die Vorteile für die nächste Generation im Auge. Die wirtschaftliche Nutzung ist je­doch nur möglich, wenn eine Nachfrage besteht. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, die Nachfrage für Bauprodukte aus nachwach­senden Rohstoffen zu sichern und zu erweitern.

 

Der Autor:

Holger König Architekt, geb. 1951, seit 1984 Geschäftsführung von Ascona GbR und König - Voerkelius GbR, seit 2001 Geschäftsführung der LEGEP Software GmbH, Projektleiter ökologisch orientierter Forschungsprojekte, Mitglied des Deutschen Teams für SB08 in Melbourne, Auditor für das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

 

Literaturverweise und Quellen

1 Holger König: Wege zum gesunden Bauen, Freiburg 1998.

2 Holger König / Nikolaus Kohler / Johannes Kreißig /Thomas Lützkendorf: Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung, München 2009.

Die Inhalte des Beitrags sind Teil des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekts Az. Nr. 29239. Sie wurden in der Ausstellung Bauen mit Holz. Wege in die Zukunft in der Architektursammlung der Pinakothek der Moderne in München 2011 / 2012 gezeigt und mit dem Beitrag des Autors Bauen mit Holz ist aktiver Klimaschutz im Katalog der Ausstellung veröffentlicht.