Holzbausysteme - eine Übersicht

von Peter Cheret und Kurt Schwaner

 

Eine sorgfältige Planung und handwerkliche Vorbereitung – vom Herstellen der Bauteile über den Abbund auf dem Hof des Zimmermanns bis hin zu Transport und Montage vor Ort – haben im Holzbau eine lange Tradition. Mit neuen Entwicklungen, die allesamt auf die industrielle Bearbeitung des naturgewachsenen Baustoffs Holz zielen, haben sich in den letzen Jahren eine ganze Reihe von Systembauweisen entwickelt und auf dem Markt etabliert.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Konstruktionsweisen, Bauteilaufbauten oder in den jeweils spezifischen Leistungsmerkmalen besteht die grundsätzliche Neuartigkeit aller Holzbausysteme zu­nächst einmal darin, dass sie die Beschränkungen des tradier­ten Holzbaus überwunden haben. Die ursprünglichen Bausyste­me bedienten sich in der Regel stabförmiger Querschnitte wie Balken, Latten, Leisten oder Dielen. Deren Dimensionen waren durch den naturgewachsenen Baum beschränkt, was sich wiederum auf Spannweiten und die Größe des Gesamtbauwerks auswirkte.

Obwohl sich spätestens seit der Einführung des Brettschichthol­zes vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bis hin zu Brücken oder weitgespannten Hallenbauten eröffneten, gilt der Holzbau im Allge­meinen als die Bauweise für eher kleinmaßstäbliche Gebäude im ländlichen oder besten­falls suburbanen Raum. Daneben weisen jedoch neue Systementwick­lungen eine immense Erweiterung an konstruktiven Möglichkeiten auf, sei es für das Bauen im Bestand oder auch für mehrgeschossige Bauten. Während ein Teil der neuen Systeme nach wie vor auf dem Prinzip des Fügens stabförmiger Holzquerschnitte beruht, finden sich bei den führenden Herstellern viele massive, flächige und raumbildende Systemelemente für Wände, Decken und Dächer. Im Unterschied zu den "leichten" Bauweisen, etwa dem Holzrahmenbau, handelt es sich hierbei um massive Bau­teile aus gestapelten oder addierten Querschnitten, die zu formstabilen, flächigen Elementen gefügt werden. Zwei Produkte sind prinzipiell zu unterscheiden: das Brettstapelholz und das Brettsperrholz.

Der Markt bietet Systeme, bei denen die Tragrichtung der Bauteile der Faserrichtung der einzelnen Holzquerschnitte entspricht. Die Elemente werden einachsig als "stabförmig" gerechnet. Mehre­re Elemente nebeneinander lassen sich jedoch zu großflächigen Bauteilen fügen. Dieser Gruppe ist der Holzrahmenbau sowie die Holzbalkendecke mit Querträgern und Tragschicht zuzuordnen. Ferner werden Hohlkastenelemente mit Stegen sowie oberer und unterer Tragschicht (Lignatur usw.), addierte Vollquerschnitte für Wände (TopWall usw.) oder auch alle Arten von genagelten, gedü­belten oder geklebten Brettstapelementen verwendet.

Unter der Bezeichnung Brettsperrholz subsumieren sich Syste­me aus großformatigen, mehrschichtigen Holzplatten von großer Tragfähigkeit für die Verwendung als Wand, De­cke und Dach. Hier zeigt die Entwicklung den größten Abstand zu den tradierten Bauweisen und evoziert ein neues Materialver­ständnis. Erstmals in der langen Geschichte des Holzbaus wird das naturgewachsene Holz vom stabförmigen Bauteil zu einem flächigen, ungerichteten Baustoff. Auch im Bereich der rein stab­förmigen Systeme, etwa dem Skelettbau, finden sich aktuelle Wei­terentwicklungen, die zur Realisierung von Gebäuden mit bis zu zehn Geschossen führen.

Trotz verschiedener Ausprägungen und Einsatzmöglichkeiten haben alle Holzbausysteme etwas gemein: verglichen mit dem konventionellen Massivbau erfordert der Holzbau teilweise einen höheren Planungsaufwand. Dies gilt auch dann noch, wenn die Hersteller der Holzbausysteme detail­reiche Planungshilfen bereitstellen. Alle Systeme zielen zudem auf eine möglichst weitreichende Vorfertigung ab. Der vor Ort den Wettereinflüssen ausgesetzte Bauprozess wird in die geschützte Halle verlagert. Denn dort finden sich ideale Bedingungen für die Fertigung komplexer Bauteile mit höchster Präzision und Ausfüh­rungsqualität. Die Montage vor Ort ist dann im Vergleich zu allen konventionellen Bauweisen sehr kurz.

Auch der gesamte Planungsprozess verändert sich beim Bau mit Holzbausystemen. Durch den Einsatz von CNC-gesteuerten Ab­bundanlagen lassen sich die Planungsdaten direkt vom Planer auf die Maschine übertragen. Die logistische Optimierung der Fer­tigungs- und Montageplanung hat Einfluss auf die Ausbildung der Konstruktion und die Fügung der Bauteile. Deshalb ist an den Schnittstellen der Baubeteiligten eine frühzeitige Kommunika­tion notwendig.

Die nachfolgend dargestellten Systeme sind wichtige Ver­treter der auf dem Markt angebotenen und mit bauaufsichtlichem Verwendungsnachweis versehenen Holzbausysteme, die beson­ders für den Einsatz im städtischen Kontext geeignet sind.

Flächige Bauweisen aus stabförmigen Komponenten

Mit der Einführung des Holzrahmenbaus seit den 1970er Jahren etablierte sich erstmals eine all­gemein gültige Bauweise mit marktgerechten und standardisierten Regeln. In erstaunlich kurzer Zeit verdrängte sie nicht nur die bis dahin üblichen Konstruktionen, sondern war auch Im­pulsgeber für die Weiterentwicklung des Holzbaus. Heute ist der Holzrahmenbau als energie- und flächensparendes Leichtbausys­tem weit verbreitet. Er ist hervorragend geeignet, hochwertige und energieeffiziente Gebäude weitgehend vorgefertigt und somit in kurzer Bauzeit wirtschaftlich zu erstellen. Seine Vorteile liegen in der einfachen und wirtschaftlichen Verarbeitung auf der Grundla­ge eines definierten Regelwerks. Seit der Einführung wurde das Konstruktionsprinzip kontinuierlich weiterentwickelt und auch die Qualitätssicherung bei den verwendeten Hölzern verbessert. Ein großer Teil der im Holzbau realisierten Wohnungs- und Gewerbebauten wird heute als Holzrahmenbau errichtet.

Im deutschsprachigen Raum sind die Begriffe Holzrahmenbau und Holztafelbau geläufig. Sie beschreiben dasselbe Konstruktionsprinzip, unterscheiden sich aber im Umfang der Vorfertigung. Üb­licherweise spricht man von Holztafelbau, wenn die Elemente voll­ständig, einschließlich aller Oberflächen und Einbauten, industriell vorgefertigt werden, etwa im Holzfertigbau. Generell ist bei geschlossenen Bauteilen eine Eigenüberwachung im Werk und eine Fremdüberwachung durch unabhängige zertifizierte Prüfer erforderlich. Mittlerweile verläuft die Grenze zwischen Holzrah­men- und Holztafelbau fließend. Die verschiedenen Bauelemente werden in DIN 1052 "Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauwerken" einheitlich als Wand-, Decken- und Dachtafeln bezeichnet.

Der Holzrahmenbau ist aus planerischer und gestalterischer Sicht ein offenes System. Auf der Grundlage des vorgegebenen Konstruktionsrasters für Wände und Decken sind alle Bautypen bis hin zum mehrgeschossigen Wohn- und Verwaltungsbau mög­lich. Die Größe der Elemente ist durch die technischen Möglich­keiten in der Vorfertigung, die Begrenzungen aus dem Transport und der Montage sowie durch die statischen, bauphysikalischen und haustechnischen Anforderungen bestimmt. Das Tragwerk setzt sich aus Schwelle (unten liegend), Stän­der oder Stiel (stehend) und Rähm (oben liegend) zusammen. Verwendet wird in der Regel Konstruktionsvollholz (KVH) oder Brettschichtholz (BS-Holz) mit den Abmessungen von beispielsweise 60 × 180 Millimetern. Seit der Einführung des Holzrahmenbaus ist die Breite des Querschnitts mit 60 Millimetern konstant geblieben, während die Dicke der Wand der dazwischen liegenden Wärme­dämmung entspricht und wegen des sich ständig verbessernden Dämmstandards zunimmt. Die Elemente beziehen sich auf einen Konstruktionsraster, der auf die Plattenformate der aussteifenden Beplankung abgestimmt ist. Ein Ausbauraster muss bei der Planung nicht zwangsweise berücksichtigt werden. Zur Vermeidung unwirtschaftlicher Plattenverschnitte empfiehlt es sich jedoch, den vorgegebenen Konstruktionsraster zu berücksichtigen.

Die statische Wirkungsweise des Holzrahmenbaus beruht auf der gegenseitigen Ergänzung von Stabwerk (Rahmen) und Beplan­kung. Die vertikale Lastabtragung erfolgt über die Ständer. Durch die Beplankung sind die Ständer gegen seitliches Knicken in der Scheibenebene gesichert. Die Beplankung ihrerseits übernimmt die horizontale Lastabtragung aus Wind und Stabilisierung in Wandebene und wird dabei durch Ständer, Schwelle und Rähm vor dem Ausbeulen gesichert. Die Windlast oder andere hori­zontalen Lasten rechtwinklig zur Wand werden über die Beplan­kung in die Ständer geleitet.

Innenwandanschlüsse sowie Fenster- und Tür­öffnungen sind an beliebiger Stelle realisierbar. Die vertikale Lastabtragung erfolgt über die Ständer beid­seits der Öffnung. Als aussteifende Beplankung lassen sich unter­schiedliche Plattenmaterialien einsetzen. Je nach gestalterischen, konstruktiven, statischen, bauphysikalischen oder haustechni­schen Anforderungen können beispielsweise OSB- (Oriented-Strand-Boards) oder Gipsplatten verwendet werden. Andere plattenförmige Holzwerkstoffe mit entsprechender allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung sind möglich. Holzfaserplatten sind beispielsweise auch zur Aussteifung von Dächern verwendbar.

Im Unterschied zur Anfangszeit der Einführung des Holzrahmen­baus, als die Gebäudehülle außen mit der aussteifenden Platte und innenseitig mit einer Dampfsperre zu versehen war, hat sich der diffusionsoffene Holzrahmenbau durchgesetzt. Er stellt heute den aktuellen Stand der Technik dar. Dabei wird die aussteifende Holzwerkstoffplatte auf der Innenseite des lastabtragenden Holz­rahmens der Gebäudehülle angeordnet. Da die Konvektion, also das Eindringen warmer und feuchter (Wasser in Tropfenform) Luft durch Leckagen im Bauteilaufbau an der Außenseite, erhebliche Schäden durch Tauwasser erzeugen kann, ist die aussteifen­de Holzwerkstoffplatte luftdicht auszuführen. Die Überprüfung der Luftdichtheit erfolgt durch einen Blower-Door-Test. Bei diffusionsoffenen Bauteilaufbauten fällt im Winter Tauwasser im Bauteil an, das im Sommer zur Raumseite hin (sommerliche Umkehrdiffusion) abgegeben wird. Hierbei muss eine deutliche Robustheit erreicht werden. Ein Faktor für eine rechnerische Trocknungsreserve mind. 250 g/(m2a) bei Dächern und mind. 100 g/(m2a) bei Wänden und Decken ist nach DIN 68800- 2:2012-02 Baulicher Holzschutz nachzuweisen.

In der DIN 68800-2 ist festgelegt, dass innerhalb des Gebäu­des keine chemischen Holzschutzmittel verwendet werden dürfen. Dies bedeutet, dass in Außenwänden kein Klima entstehen darf, das Insekten oder holzzerstörenden Pilzen als Le­bensgrundlage dient. Das ist der Fall, wenn die Holzfeuchte über einen längeren Zeitraum (etwa sechs Monate) auf über 20 Prozent steigt. Als Faustregel für eine funktionierende diffusionsoffene Au­ßenwand gilt: Der Bauteilaufbau muss von innen nach außen kon­tinuierlich diffusionsoffener, der sd-Wert soll von innen nach außen um den Faktor 7 bis 10 kleiner werden. Generell empfiehlt sich im Planungsprozess für einen Holzbau die frühzeitige Abstimmung mit einem Bauphysiker.

TopWall-System

Zu den stabförmigen Holzbausystemen gehört auch das TopWall-System. Es ist ein neuartiges Massivholzsystem für Wände mit vertikalen Stäben, das bei einem großen Gebäudekomplex in Zürich mit sechs Wohngeschossen in Holzbauweise als Wandele­ment eingesetzt wurde. Entwickelt hat es der Schweizer Holzbau­ingenieur Hermann Blumer. Das System besteht aus geschoss­hohen Bohlen aus maßgehobelten Fichtenkanthölzern, die auf der Baustelle ohne Kran nebeneinander aufgestellt werden und eine zehn Zentimeter dicke und 20 Zentimeter breite, tragende Wand aus Massivholz bilden. Zur Fixierung dient eine Schwelle auf der Geschossdecke, in deren vorgebohrte Öffnun­gen Dübel gesteckt werden, die wieder­um in Bohrungen am Fuß der Bohlen eingreifen. Ein Arbeiter kann so Bohle neben Bohle stellen. Die Außenwände werden beim TopWall-System beidseitig gedämmt und mit 70 Millimeter dicken Glasfaserbetonelementen bekleidet. Die mil­limetergenau auf den Rohbau abgestimmten Schwellen werden auf Maß geliefert. Sie müssen hohen Querdruckbeanspruchungen standhalten und feuchtigkeitsresistent sein.

Stehende Bohlen können vertikal ähnlich hohe Lasten abtragen wie Beton und erreichen das Mehrfache der Tragfähigkeit von Mauerwerkswänden derselben Stärke. Holz längs zur Faserrich­tung verformt sich unter Last nur gering. Bei Temperaturschwan­kungen ist die Verformung bei Holz sogar geringer als bei Beton oder Mauerwerk. Auch die Verwendung von Laubholz wie Buche, Eiche, Esche, Ahorn und Kastanie ist möglich.

Die Bohlen lassen sich optimal aus den gängigsten Rundholz­abmessungen heraussägen. Das Holz wird dadurch optimal ausgenutzt. Der so erstellte Holz-Rohbau weist auf 100 Meter Län­ge eine Abweichung von drei bis vier Millimetern und auf 50 Meter Höhe eine Abweichung von etwa drei Millimetern auf. Die bereits im Rohbau vorhandene hohe Präzision eröffnet die Möglichkeit, vorgefertigte Komponenten an die Wände zu montieren: Decken, Dämmstoffe, Außen- und Innenbekleidungen oder Haustechnik. Die Tragfähigkeit von TopWall-Systemelementen soll für Gebäude mit 20 Geschossen geeignet sein. Darüber hinaus ist der Anteil an "Grauer Energie" äußerst gering. Hier liegt der große Vorteil ge­genüber einer massiven Konstruktion aus Mauerwerk oder Beton.

Skelettbau

Der Holzskelettbau gehört zu den stabförmigen Systemen und ist gekennzeichnet durch ein Tragskelett aus senkrechten Stüt­zen und waagrechten Trägern sowie einem gesonderten Ausstei­fungssystem. Er knüpft an den historischen Fachwerkbau an. Die Methoden des zeitgenössischen Ingenieurholzbaus basieren in der Regel auf der Verwendung von Brettschichtholz und erlauben Stützenabstände bis zu zwölf Meter. Für die tragenden Bauteile wie Deckenbalken und Dachsparren wird Brettschichtholz oder Vollholz eingesetzt. Die Ausbildung der Gebäudehülle unterschei­det sich in einem wichtigen Punkt vom Holzrahmenbau: Im Holz­skelettbau wirken die Beplankungen nicht aussteifend gegen hori­zontale Lasten. Die Sicherung gegen Wind- und Stabilisierungslasten übernehmen die Decken, die meist als Schubfeld ausgebildet werden. Die Deckenscheiben geben ihre Lasten in Aussteifungselemente in die Wände ab. Die­se bestehen häufig aus diagonalen Streben aus Holz oder Stahl oder aus schubsteif ausgebildeten Wandscheiben. Horizontal­lasten können in massive Bauteile wie Treppenhäuser eingeleitet werden.

Da die Wände keine Tragfunktion übernehmen, lassen sich flexible Grundrisse realisieren. Hal­lenartige Bereiche mit fließenden Übergängen und sichtbarer Konstruktion prägen häufig die Struk­tur und die Atmosphäre der Innenräume. Tragende Bauteile im Außenbereich, die der Bewitterung ausgesetzt sind, werden nach der DIN 68800-2:2012-02 nicht mehr zugelassen. Sie sind komplett und dauerhaft gegen Bewitterung zu schützen. Es empfiehlt sich daher, eine geschlossene Gebäudehülle ohne Durchdringungen vor das Tragwerk zu setzen.

Die effektivste Kraftübertragung ist die Pressung der Hirnhölzer längs zur Faser. Bei Gebäuden mit bis zu drei Etagen werden die Stützenlasten aus den Obergeschossen in der Regel über quer liegende Holzpakete (Unterzüge oder Nebenträger) in die unteren Stützen übertragen. Hier entsteht wegen der deutlich geringeren Querdruckfestigkeit gegenüber der Längsdruckfestigkeit eine mehr oder weniger große Stauchung in den liegenden Bauteilen. Bei Bauwerken über vier Geschosse sind Querdruckspannungen zu vermeiden. Mit der flächendeckenden Einführung von Brett­schichtholz seit den 1960er Jahren gelang es dem Holzske­lettbau in Bereichen des bisher vom Betonfertigbau dominierten Baugeschehens Marktanteile zu gewinnen. Eine Reihe aktueller Projekte lässt eine Renaissance dieser sehr effizienten Bauweise erwarten.

Shigeru Ban Architects: Fassadenkonstruktion des Tamedia-Gebäudes, Zürich (Fotos: Philipp Rueger, SJB Kempter Fitze AG)

Flächige Systeme

Einen großen Innovationsschub im Bereich der flächigen Systeme gibt es bei Brettstapelholz und Brettsperrholz. Diese lassen sich in Systeme mit zusammengesetzten Querschnitten (zum Beispiel Lignatur) und in die mit massiven Querschnitten aus Brettsperr­holz unterteilen. Systeme aus Brettsperrholz sind in aller Regel Vollsysteme - also einsetzbar für Decken, Dächer und Wände. Sie eignen sich sehr gut für den Bau hoher Gebäude.

Bei flächigen Systemen übernehmen die Bauteile gleichzeitig mehrere Funktionen. Sie tragen die Vertikal- und Horizontallasten in beiden Richtungen ab und sind dabei raumbildend. Die Hülle lässt sich vergleichsweise einfach luftdicht herstellen. Eine Wind­dichtung und Feuchtesicherung der Dämmung mit sehr kleinem sd-Wert ist außerhalb der Dämmung bei allen Systemen immer erforderlich, etwa mit einer Holzweichfaserplatte. Eine besonde­re Eigenschaft ist die Speicherfähigkeit der massiven Holzwände und deren Beitrag zur thermischen Behaglichkeit.

Lignatur

Das in der Schweiz industriell produzierte System bietet Decken- und Dachelemente in Hohlkastenbauweise an. Sie werden aus verschiedenen Nadelholzlamellen zusammengesetzt und verklebt. Die Produkte erweisen sich für die bauphysikalischen Anforderun­gen des Schall-, Feuchte- oder Brandschutzes besonders geeig­net. Gerade im sensiblen Bereich des Schallschutzes wurde eine sehr wirksame Lösung gegen störende Schallemissionen im tie­fen Frequenzbereich entwickelt. Die Elemente eignen sich durch ihren optimierten Querschnitt besonders auch zur Überbrückung großer Spannweiten mit hohen Beanspruchungen.

Der Hersteller bietet drei verschiedene Elementtypen an:

Die Kastenelemente (LKE) können im Hohlraum gedämmt sein. Sie werden untereinander zu Deckenscheiben verbunden und überbrücken selbst bei hoher Beanspruchung große Spannweiten einachsig. Aufgrund der balkenartigen Elementgrößen und des geringen Eigengewichts ist dieses System für Baumaßnahmen im Bestand sehr gut geeig­net. Die Elemente lassen sich leicht einbringen und montieren. Die Kastenelemente besitzen eine Deckbreite von 200 Millimetern. Sie sind mit doppelter Nut und Feder versehen und werden bei der Montage miteinander verschraubt. Es sind Standardlängen bis zwölf Meter und Sonderlängen bis 16 Meter erhältlich.

Die Flächenelemente (LFE) sind standardmäßig 514 beziehungs­weise 1.000 Millimeter breit und werden ästhetisch mit Nut und Feder und - je nach statischer Anforderung - mit Schubstahl oder mit Schubdübeln verbunden. Feuerwiderstandsdauern von REI 30 bis REI 90 sind nach ETA-11/0137 für Lignatur-Elemente und auch für Lignatur-Akustikelemente nachweisbar. Zur luft- und dampfdichten Ausbildung der Fugen lassen sich werkseitig elasti­sche Dichtungsbänder einlegen. Flächenelemente sind in Längen bis 16 Metern erhältlich und 120 bis 480 Millimeter dick.

Die Schalenelemente (LSE) sind besonders für den Einsatz im Steildachbereich konzipiert. Die 514 Millimeter beziehungsweise 1.000 Millimeter breiten Elemente werden durch Nut und Feder miteinander verbunden. Sie sind in Längen bis zwölf Meter und einer Dicke zwischen 200 und 240 Millimeter erhältlich.

Brettstapel- und Dübelholz

Brettstapelelemente sind Systeme aus flächigen, tragenden Elementen aus Nadelholz. Die Lamellen (Bretter, Bohlen oder Kanthölzer) stehen hochkant ne­beneinander und laufen entweder über die ganze Elementlänge ungestoßen durch oder sind durch Keilzinkung kraftschlüssig zu Lamellen verbunden. Die hochkant gestellten Holzquerschnitte sind seitlich fortlaufend mittels Nagelung, Dübelung oder Verklebung miteinander verbunden. Die massiven Holzquerschnitte erlauben je nach Elementdicke Feuerwiderstandsdauern von F 30 bis F 90. Die Verbindungsmittel dienen der Schubübertragung zwischen den einzelnen Lamellen sowohl in horizontaler Richtung zur Erzie­lung der Scheibenwirkung bei Dach, Decke und Wand als auch bei Decken in vertikaler Richtung zu Verteilung von Einzellasten.

Die Wandelemente übernehmen vertikale Kräfte aus Eigenge­wicht, Verkehr oder Schnee und horizontale Kräfte aus Wind und Stabilisierung. Da die Elemente schubweich sind, sind tragende und aussteifende Wände sowie aussteifende Decken vollflächig mit Holzwerkstoffplatten zu belegen. Eine Vernagelung führt dazu, dass die Elemente wegen der metallischen Verbindungsmittel nicht auf exakte Abmessungen besäumt werden können. Des­wegen werden genagelte Elemente nur noch zu untergeordneten Zwecken verwendet.

Anders verhält sich dies bei der Fertigung des Lamellenverbunds mittels Holzdübeln: Die Ele­mente sind maschinell bearbeitbar, wodurch eine nahezu beliebige Maßhaltigkeit erreichbar ist. Die Stöße der Elemente erfolgen mit Nut- und Federver­bindung, Fremdfedern oder mit oberseitigen Streifen aus Holzwerkstoffplatten. Schwind- und Quellverformungen insbesondere quer zur Faserrichtung werden in den Fugen zwischen den einzel­nen Lamellen aufgenommen, so dass die Breite der Elemente auch bei Feuchteänderungen nahezu konstant bleibt. Bei Dübelholzelementen werden die Lamellen mit Stabdübeln aus Hartholz (Buche) über Klemmkräfte verbunden. Buchendübel mit einer Holzfeuchte von etwa sechs Prozent werden in die Nadel­holzbretter mit einer Feuchte von rund zwölf Prozent eingetrieben. Die Feuchteaufnahme der Dübel lässt - typisch für Buche - diese stark quellen. Die Folge ist eine Klemmwirkung, die nicht mehr reversibel ist und zu einer hohen Steifigkeit führt.

Konstruktionen aus Brettstapel- oder Dübelholz sind an keinen Raster gebunden. Die Dicken der Lamellen variieren je nach Her­steller und den an sie gestellten statischen Anforderungen zwi­schen 24 und etwa 60 Millimetern. Außen ist immer eine luft­dichte Ebene anzuordnen. An der Gebäudehülle werden in der Regel OSB-Platten aufgebracht. Diese dienen der Aussteifung als Schubfeld gegen Horizontallasten. Zum anderen sind diese Plat­ten mit einem sd-Wert von etwa sechs bis zwölf Metern und mit der entsprechenden Abklebung der Fugen sehr gut für diffusionsoffe­ne Wandaufbauten geeignet.

Anders als Massivholzsysteme wei­sen Brettstapel- und Dübelholzwände wenig Holzverlust auf, da Türen-, Fenster- und Giebelausschnitte bereits bei der Produktion wiederverwertet werden. Brettstapel- und Dübelholzdecken werden oft im Verbund mit Ort­beton hergestellt. Als Schubverbindung werden Kerven, Knacken, Lochbleche oder Schraubverbindungen verwendet. Nach der Montage dient das Holzelement als Zugelement und als Beton­schalung. Der Beton wirkt als Druckelement und erzeugt durch die hohe Masse eine gute Schall- und Schwingungsdämpfung.

Der Verbund von Holz und Beton erlaubt weitgespannte und kos­tengünstige Holz-Beton-Verbunddecken. Zunehmend werden Holz und Beton bereits im Werk zusammen hergestellt, um den Feuchteeintrag in das Gebäude zu vermeiden. Unabhängig von der Art des Lamellenverbunds ist das Ergebnis immer ein massi­ves flächiges Element, das als Wand-, Decke- oder Dachscheibe miteinander im Verbund das Tragwerk eines Gebäudes bildet. Die Unter- beziehungsweise Innenseiten können sichtbar sein.

Brettsperrholz (BSP)

Die Entwicklung von Brettsperrholz und seine Anwendung als Bausystem führten zu einem hohen Ent­wicklungsschub im Holzbau. Die Elemente sind formstabile, aus einer ungeraden Zahl geschichteter und verklebter Brettlamellen gefertigte Massivholzplatten. Die einzelnen Schichten bestehen aus Brettlagen von etwa zehn bis 35 Millimeter Dicke aus den Nadelholzarten Fichte, Kiefer, Lärche und Tanne, die kreuzweise übereinander angeordnet werden.

Das Ausgangsmaterial sind sägeraue Bretter. Laubholzarten wie Esche, Buche oder Robinie sind in der Schweiz schon verbreitet. In Deutschland gibt es allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen für Brettsperrholz. Die Entwicklung zur Verklebung von Buche oder anderen Laubhölzern wird derzeit wissenschaftlich unter­sucht. Die Lamellen werden im Pressbett gestapelt, mit zugelas­senen Klebstoffen einseitig beleimt und mit einer Spezialfolie ab­gedeckt, unter der ein Vakuum erzeugt wird. Der dabei aufgebaute atmosphärische Druck entspricht dem erforderlichen Pressdruck. Da dieser an jeder Stelle im Raum gleich ist, lassen sich große, ein und doppelseitig gekrümmte, lediglich durch das Pressbett be­grenzte Platten fertigen. Eine weitere Möglichkeit, massive Platten herzustellen, sind Hydraulikpressen, die die Abmessungen der Platten vorgeben.

Andere Rahmenbedingungen für die Maxi­malgröße der Elemente ergeben sich aus Transport und Montage. Die Gebäudeaussteifung erfolgt durch aussteifende Wände, Dä­cher und Decken aus Brettsperrholzelementen, die in Kombination mit den Geschossdecken ein räumliches Tragwerk bilden. Da massive Wandelemente wesentlich steifer sind als Wände in Holzrahmenbauweise, kann die Anzahl und Länge der aussteifenden Wandscheiben reduziert werden. Wie bei jeder statisch-konstruk­tiven Bearbeitung ist hierfür ein entsprechender Nachweis nötig.

Die horizontale Aussteifung setzt eine kraftschlüssige Verbin­dungstechnik der einzelnen Elemente voraus. Im Wesentlichen kommen Schrauben oder eingeklebte Gewindestangen zum Einsatz. Das Tragverhalten der entstehenden Platte ist zweiach­sig möglich. Die Verwendung von Brettsperrholz ist nur in den Nutzungsklassen 1 und 2 nach DIN EN 386 zulässig. Durch den Querschnittsaufbau lässt sich eine entsprechende Längs- und Querverteilung von Einzellasten erzielen. Infolge einer abhängig vom Querschnittsaufbau produzierbaren Lastverteilungskapazität ist die Einleitung von Einzellasten in jedem Punkt der Platte mög­lich. Mehrgeschossige Giebelwände und großformatige Decken- und Dachplatten lassen sich je nach Pressbett aus einem Stück fertigen. Computergesteuerte Roboter fräsen jedes Bauteil pass­genau zu, sodass sich bei 16 Meter Länge nur 1,5 Millimeter Toleranz ergeben.

Öffnungen werden in gewünschter Form heraus­geschnitten. Der Verschnitt wird optimiert, indem einzelne kleinere Bauteile optimal zueinander geordnet und aus einer Massivholz­platte gefräst werden. Der Abbund aller benötigten Bauteile er­folgt montagefertig im Werk. Neueste Entwicklungen zielen darauf ab, die Verklebung im Bereich der Aussparungen zu vermeiden. Die ausgeschnittenen, nicht verklebten Lamellen können mit Keilzinkenverbindungen wieder in die Produktion eingespeist werden. Platten werden grundsätzlich als industriell gefertigte Rohware in Nicht-Sichtqualität hergestellt. Sind die Plattenoberflächen in Sichtqualität gefordert, so ist eine entsprechende Decklagenaus­führung erforderlich, wobei sich diese als mittragend oder nicht mit­tragend berücksichtigen lässt.

Lignotrend

Das Holzbausystem besteht aus massiven Flächenelementen aus drei, vier oder fünf verklebten Nadelholz-Brettlagen. Dabei ist die Faserrichtung außen parallel und die mittlere orthogonal zu den äußeren Lagen. Es entstehen geschosshohe, mit Hohlräumen ver­sehene, formstabile und steife Holzblocktafeln als Wände. Längs mit Abstand aufgeklebte Brettschichtholzstege steigern die Trag­fähigkeit der Platten für die Verwendung als Deckenelemente.

Die Hohlräume können Installationen aufnehmen. Der produktionsbedingte Raster dieses Systems ist für die Planung von Grund­rissen oder Fassaden ohne Bedeutung. Die Oberflächenqualität kann je nach Wunsch unterschiedlich ausgeführt werden. Für er­höhte Schallschutzanforderungen ist das Verfüllen der Hohlräume mit Sand oder ein Aufbau weiterer Schallschutzschichten möglich. Für den Aufbau einer diffusionsoffenen, luftdichten und gedämm­ten Gebäudehülle sind zusätzliche Bauteilaufbauten erforderlich. Die Wärmedämmschicht ist außenseitig auszuführen. Raumseitig wirkt das Vollholz als ausgleichender Feuchtepuffer.

Raumbildende Systeme, Raumzellen

Raumzellen lassen sich mit allen Vorteilen der Modul- oder Zel­lenbauweise schnell stapeln und montieren. Konstruktionsbedingt kommt es bei einer Reihung oder Stapelung mehrerer Raumzellen zur Dopplung der Wände und Decken. Die planerische Flexibili­tät bei der Entwicklung des Grundrisses ist gegenüber anderen Systemen eingeschränkt, was jedoch bei Gebäudetypen mit einer hohen Zahl sich wiederholender Raumeinheiten kaum relevant ist. Ein gutes Beispiel dafür sind die Hotelbauten im Bregenzer Wald in Österreich, darunter das Hotel Post in Bezau und das Ferienhaus SU-SI in Höbranz. Weil sich dort die Saison - im Winter Ski- und im Sommer Wandertourismus - über das ganze Jahr erstreckt, müssen Hotelerweiterungen in möglichst kurzer Bauzeit realisiert werden. Ein Anbieter von Raumzellen aus Holz ist die Schweizer Firma Erne. Die flexibel anpassbaren Container sind werkseitig für unterschiedliche Nutzungsarten vorkonfektioniert. Der Einsatz ist sowohl im privaten Bereich als An- oder Aufbauten bei bestehen­den Häusern oder für gewerbliche Zwecke als Einzelbüro mög­lich.

 

Die Autoren:

Peter Cheret Prof., Architekt, Fachautor, geb. 1953, Studium der Architektur in Konstanz und Stuttgart, seit 1993 Büro mit Jelena Bozic (Cheret und Bozic Architekten in Stuttgart), seit 1994 Professor am Institut für Baukonstruktion und Entwerfen (IBK 1) an der Universität Stuttgart, Herausgeber und Autor von Urbaner Holzbau, Fachpublikationen und Architekturpreise.

Kurt Schwaner Prof., Bauingenieur, geb. 1949, ab 1968 Studium Bauingenieurwesen Universität Stuttgart, 1974 Gründung des international tätigen Ingenieurbüros Boll und Partner, seit 1981 freiberuflich tätig, seit 1987 Tätigkeit für den INFORMATIONSDIENST HOLZ Düsseldorf, seit 1996 Leiter des Instituts für Holzbau an der Hochschule Biberach, Mitglied in den wichtigsten Gremien und Normenausschüssen im Holzbau, Herausgeber und Autor von Urbaner Holzbau.

 

Literaturverweise und Quellen

1 Josef Kolb: Holzbau mit System: Tragkonstruktion und Schichtaufbau der Bauteile, Basel 2010.

2 Peter Cheret: Baukonstruktion. Handbuch und Planungshilfe, Berlin 2010.

3 Bund Deutscher Zimmermeister (Hg.): Holzrahmenbau. Bewährtes Hausbausystem, Karlsruhe 2007.

4 Holzabsatzfonds (Hg.): INFORMATIONSDIENST HOLZ: Holzbau Handbuch, Reihe 1, Teil 1, Folge 7. Holzrahmenbau, Bonn 2009.

5 Holzabsatzfonds (Hg.): INFORMATIONSDIENST HOLZ: Brandschutzkonzepte für mehrgeschossige Gebäude und Aufstockungen in Holzbauweise, Bonn 2005.

6 Holzabsatzfonds (Hg.): INFORMATIONSDIENST HOLZ: Holzbau Handbuch Reihe 1, Teil 1, Folge 5. Holzkonstruktionen in Mischbauweise, Bonn 2006.

7 Holzabsatzfonds (Hg.): INFORMATIONSDIENST HOLZ: Holzbau Handbuch Reihe 1, Teil 1, Folge 4. Holzbausysteme, Bonn 2000.

8 Studiengemeinschaft Holzleimbau e. V. (Hg.): Bauen mit Brettsperrholz - Tragende Massivholzelemente für Wand, Decke und Dach, Wuppertal 2010.

9 Holzabsatzfonds (Hg.): INFORMATIONSDIENST HOLZ: Holzbau Handbuch Reihe 3, Teil 3, Folge 4: Schallschutz - Wände und Dächer, Bonn 2004.

10 José Luis Moro: Baukonstruktion vom Prinzip zum Detail, Band 2, Berlin 2009.