Turnhalle Haiming

84533 Haiming

In einem Dorf mit 2.000 Einwohnern am Zusammenfluss von Inn und Salzach wird ein vergleichsweise großes Bauvolumen dem bestehenden Schulensemble wie selbstverständlich hinzugefügt - direkt neben Kirche und Friedhof. Die neue Sporthalle ist Dorfscheune und moderne Halle zugleich, passt sich zurückhaltend der Umgebung an und ist doch auffällig im Detail. Sie stellt ein wunderbares Beispiel dar, wie sich auch unter strengster Kostendisziplin qualitativ hochwertige Architektur schaffen lässt.

Innen wie auch außen ist die Konstruktion der Halle aus vorgefertigten, kostengünstigen Holzbauelementen deutlich erkennbar. Spätestens bei Betreten des Hallenraums mit Blick nach oben entsteht Freude, das kennt man eigentlich nur von Discountern am Stadtrand oder profanen Nutzbauten in der Landwirtschaft: Nagelplattenkonstruktionen! Sie werden gewöhnlich nicht für öffentliche Gebäude eingesetzt, sind selten zu finden im 'guten' Holzbau.

Die Sparsamkeit bleibt, aber hier wird aus der vermeintlich schlichten Konstruktion eine Architektursprache entwickelt, die den Betrachter überrascht und im Sinne ihrer konstruktiven Klarheit an die positivsten Beispiele historischer Holzkonstruktionen erinnert: die Shaker. Erkennbar ist eine Tendenz zum Rohen, zum Sparsamen bei gleichzeitig maximal ästhetischer Verfeinerung.

Unter Einbeziehung der alten Schulturnhalle als neuen Mehrzweck- und Gymnastikraum entsteht ein Konglomerat aus miteinander verwachsenen Gebäudeteilen mit unterschiedlichen Dachneigungen, Richtungen und Höhen. Die niedrigeren Trakte für Technik, Umkleiden und Geräteräume sind an die Hallenstirnseiten gelegt und schaffen so die entsprechende Maßstabs-Vermittlung zum Friedhof und zur Gottschaller Wiese. Sie steifen zudem die Halle in Längsrichtung aus und ermöglichen freigehaltene Hallenlängsseiten. Dadurch wird eine großzügige Belichtung durch die Raum hohe und blendfreie Polycarbonat-Fassade an der Nord-West-Seite ermöglicht und eine große Fensterfront an der Südseite bietet Ein- und Ausblick für Sportler, Zuschauer, Dorfbewohner und Vorbeifahrende. Die Halle selbst ist ca. einen Meter in die Erde eingegraben und mit ihrer flachen Dachneigung an den Giebelseiten nur so hoch wie nötig konzipiert.

Eine gewisse Analogie zu großen landwirtschaftlich genutzten Gebäuden im Dorf ist Absicht. Im Sinne eines Raumfachwerkes - (das es aber gar nicht ist) - erzeugt die Dachkonstruktion das Bild einer filigranen Übersumme an tragenden Elementen. In den Wandkonstruktionen hingegen werden die Pfosten, Riegel und Diagonalen gleichsam als große Wandgrafiken bildhaft instrumentalisiert. Der Bruch der Regel - wie er etwa im fetten, skulpturalgeformten, aber fein im Raster geprägten Stahlbetonbalken an der Südwand innen und den "nur" vorgehängtenFertigteilstützen außen aufscheint - ist fast so wichtig wie die Regel und ihre Formalismen selbst.

Das direkt eingängige Bild des Tragwerkes vs. einer Art Unschärfe, was hier wirklich Tragwerk und was nur Bild ist, mündet letztlich in spannungsgeladenen Gegensatzpaaren wie einer forcierten Banalität vs. einer romantischen Maßstäblichkeit außen und eines konstruktiven Pragmatismus vs. einer "heroisch" überhöhten Konstruktion innen.

Adresse
Angererweg
84553 Haiming

Bundesland
Bayern

Bauherr
SV Haiming in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Haiming
www.sv-haiming.de

Architekten
Florian Fischer, Almannai Fischer Architekten, München
www.almannai-fischer.de
Harald Fuchshuber, Ingenieurbüro Harald Fuchshuber, Altötting

Tragwerksplaner
HSB Ingenieure GmbH, Mehring
Markus Speckbacher mit Klaus Brandstetter
www.hsb-ingenieure.de

Bauausführung
Zimmerei und Holzbau Hecker GmbH, Kastl
www.holzbau-hecker.de
Laumer Bautechnik GmbH, Massing/Rott
www.laumer.de

Baujahr
2016

Auszeichnungen
Deutscher Holzbaupreis 2017, Preisträger Kategorie "Neubau"

Ansprechpartner
SV Haiming
www.sv-haiming.de

Fotograf
Sebastian Schels/PK Odessa

Gebäudeart
Sporthalle

Konstruktion
Nagelplatten