Betriebsgebäude Artis GmbH

10965 Berlin-Tempelhof

Der neue Firmensitz des Ingenieurunternehmens, das sich auf technische Detailentwicklung, Konstruktion, Licht- und Medientechnik spezialisiert hat, befindet sich in einem innerstädtischen Mischgebiet in Berlin-Tempelhof. Dort galt es, Werkhalle und Verwaltungs- sowie Planungstrakt in einem Gebäude zu vereinen und miteinander zu verzahnen. Entstanden ist ein L-förmiges Gebäude, das nach Bereichen von Anlieferung und Eingang angeordnet ist.

Die beiden Gebäudeteile unterscheiden sich in ihrer Materialität: Die eingeschossige Werkhalle (lichte Höhe 8,20 m) ist mit Holzschindeln bekleidet und die Fassade des zweigeschossigen Planungs- und Verwaltungstrakt ist weiß verputzt. Bei der Werkhalle sorgen ein umlaufendes Lichtband sowie Oberlichter im Dach für eine natürliche Belichtung. Dieser Teil ist ein wenig höher als der Planungs- und Verwaltungstrakt. Hier erschließt eine repräsentative Außentreppe die öffentlichen Bereiche und die Planungsabteilung im ersten Obergeschoss. Von dort ermöglicht eine verglaste Galerie Einblicke in die Produktionsabläufe innerhalb der Werkhalle und auf das riesige Tragwerk des Industrieroboters. Im Erdgeschoss sind die Produktions- und Nebenräume sowie ein Lackierraum angeordnet.

Das Gebäude ist in wirtschaftlicher Holzbauweise mit hochgedämmten, raumabschließenden Bauteilen und luftdichter Gebäudehülle in Niedrigenergiebauweise geplant um einen dauerhaft wirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen. Es kamen weitgehend CO2-neutrale Baustoffe zum Einsatz. Insgesamt wurde ein EnEV-40 %-Standard erreicht. Alle oberirdischen Bauteile wurden im Abbundwerk vorgefertigt um den Rohbau in nur fünf Wochen aufzuschlagen und einen zügigen Raumabschluß zu gewährleisten. Außenwände und Dächer sind als hochwarmedämmende, diffusionsoffene Holzrahmenbauelemente mit eingeblasener Zellulosedämmung ausgeführt und die Decken über dem Erdgeschoss sind aus Brettschichtholzelementen gefertigt.

Die tragenden BSH-Stützen der Halle sind in die vorgefertigten Wandelemente integriert. Das Hallendach trägt materialoptimierte, schlanke Fischbauchträger mit Spannweiten von ca. 20 m. Für die tragende Mittelachse des Verwaltungstraktes und die frei auskragende Lärmschutzwand auf dem Dach, wurden massive Brettsperrholzelemente gewählt. Ein Gründach über dem Verwaltungstrakt soll zusätzlich den sommerlichen Wärmeschutz der darunterliegenden Büroräume und das Mikroklima im Stadtquartier verbessern. Eine Photovoltaik-Anlage auf der Halle mit ca. 29,5 kWh Leistung kann vollständig den Strombedarf im Grundbetrieb ohne schwere Produktionsmaschinen decken.

Die Gründung der Werkhalle erfolgt über Streifenfundamente in Verbindung mit einer sparsam bewehrten, wärmegedämmten Stahlbetonbodenplatte ohne weiteren Fußbodenaufbau. Das Kellergeschoß unter dem Verwaltungstrakt ist als Weiße Wanne konzipiert.

Die Form des Fischbauchträgers leitet sich aus dem Verlauf des Biegemomentes eines Trägers unter Gleichlast ab, einer quadratischen Parabel. Der Abstand von Ober- und Untergurt zueinander - die statische Höhe - wird so variiert, dass im Idealfall in den Gurten über die gesamte Länge konstante Normalkräfte auftreten. Man erreicht mit einem fertigungstechnisch günstigen, weil konstanten, Querschnitt eine optimierte Ausnutzung des Materials.

Im Rahmen umfangreicher Voruntersuchungen wurde die maximale statische Höhe mit 1,85 m festgelegt. Die Schlankheit des Trägers ist mit L: H = 10,8 : 1 noch moderat. Der zu den Auflagern hin ansteigende Untergurt des Fischbauchträgers bietet weiterhin den Vorteil, dass der Lichteinfall des unter dem Dach umlaufenden Lichtbandes nicht behindert wird. Der Untergurt mit b / d = 24 / 20,7 cm² besteht wegen der hohen erforderlichen Zugfestigkeit aus Furnierschichtholz und wurde aus fünf einzelnen Lamellen d = 45 / 3 x 39 / 45 mm gekrümmt verleimt. Für den druckbeanspruchten Obergurt mit b / d = 24 / 24 cm² wurde Brettschichtholz GL 32c gewählt, die seitliche Stabilisierung erfolgt durch die bündig angeschlossenen, vorgefertigten Dachelemente. Der Obergurt wurde mit einer parabelförmigen Überhöhung ausgeführt. Dadurch wird zum einen die unvermeidliche Durchbiegungen egalisiert, zum anderen dient dies, wie bei einem unterspannten Träger, der Stabilisierung der Druckstreben. Die Breite von Obergurt und Hallenstütze ist an den Schattenfugen zu den flächenbündig anschließenden Oberflächen des Innenausbaus ablesbar; die Querschnittsbreite des Untergurtes wurde hierauf abgestimmt. Die fallend und steigend angeordneten Diagonalen mit b / d = 12 / 16 cm² aus Brettschichtholz 28c erhalten bei Gleichlast nur Druckkräfte die Anschlüsse mit eingeschlitzten Stahlblechen und Stabdübeln konnten dadurch sehr kompakt ausgeführt werden.

Im Auflagerknoten müssen die Gurtkräfte "kurzgeschlossen" werden. Der Anschluss des Untergurtes erfolgt auch hier mit einem eingeschlitzten Stahlblech mit Stabdübeln. Der Obergurt stützt sich verformungsarm über Kontakt auf eine ausgesteifte Kopfplatte ab. Die Vertikalkomponente des Untergurtes wird über den Stahlblechknoten durch Stabdübel direkt in die Stütze eingeleitet.

Der gesamte Binder ist für die Feuerwiderstandsklasse F 30 B bemessen. Eine ausreichende Klemmwirkung der Stabdübelverbindungen wird durch die Anordnung von Vollgewindeschrauben erreicht. Alle Schrauben und Stabdübel wurden planmäßig mit Propfen versehen.

Die energetische Qualität des Gebäudes, insbesondere bestimmt durch die Luftdichtheit und die Dämmstoffauswahl, wirkt sich auch auf die Anlagentechnik aus. Der spezifische Transmissionswärmeverlust des Gebäudes liegt mit 0,27 W/m²K weit unter den Anforderungen der EnEV 2009. Die geringen Raumheizlasten ermöglichen so den Einsatz eines Flächenheizsystems mit niedrigen Systemtemperaturen und geringen Wärmeverteilverlusten. Weitere Wärmeverbraucher sind die Heizregister der raumlufttechnischen Anlagen.

Die Heizlast des Gebäudes und der Wärmebedarf der raumlufttechnischen Anlagen werden über einen 100 kW-Festbrennstoffkessel abgedeckt. Als Festbrennstoff wird ausschließlich das Restholz der eigenen Produktion verwendet. Es wird zu Hackschnitzel geschreddert und über einen Vorratsbunker automatisch dem Kessel zugeführt. Das Vorratsspeichervolumen wurde so ausgelegt, dass so viel Hackschnitzel in den Sommermonaten eingelagert werden kann, wie unter Berücksichtigung des Nachschubs durch den laufenden Betrieb während einer Heizperiode benötigt wird.

Mit der ausschließlichen Nutzung von Holz als Brennstoff wird eine CO2-neutrale Deckung des Wärmebedarfs erreicht. Dies gelingt unter anderem durch zwei in Reihe geschaltete 2.000l-Pufferspeicher, die nicht nur als Wärmepuffer des Festbrennstoffkessels dienen, sondern auch die Spitzenlast der Heizung abfangen können. Darauf abgestimmt sind unter anderem auch die Systemtemperaturen der Verbraucher. Während die Heizregister der Lüftungsanlagen auf ein Temperaturniveau von 85 / 70 °C ausgelegt sind, wird das installierte Flächenheizsystem mit Heizwassertemperaturen von 45 / 30°C betrieben. Speicherwasser auf dem Rücklauftemperaturniveau der Heizregister genügt also völlig zur Beheizung des Gebäudes.

Im Erdgeschoss wurde das Wärmeübergabesystem als Industrieflächenheizungssystem konzipiert. Dabei werden die Heizungsrohre direkt in die Bewehrungslage der Bodenplatte verlegt. Wärmeverluste an das Erdreich werden durch eine ganzflächige Wärmedämmung weitestgehend vermieden. Die Industrieflächenheizung in der Werkhalle und im großflächigen Produktionsbereich wird mit jeweils einer Zonenregelung betrieben. Das Obergeschoss wird über eine Fußbodenheizung mit Einzelraumregelung beheizt.

Der Produktionsbereich im Erdgeschoss und die innenliegenden Sanitärräume im Obergeschoss sind mit einer mechanischen Belüftungsanlage ausgestattet. Durch eine spezielle Zuluft- bzw. Abluftregelung und mit entsprechender Anordnung der Luftauslässe, konnte bei der Raumlufttechnik-Anlage für den Produktionsbereich auf einen zusätzlichen Lufterhitzer gänzlich verzichtet werden. Die notwendige Vorerwärmung der Zuluft erfolgt allein durch die Wärmerückgewinnung des hocheffizienten Rotationswärmetauscher mit einem Zuluft-Temperaturwirkungsgrad von 83 %. Der Wärmerückgewinnungseffekt wird durch die Nutzung der Kompressorabwärme, die mit 170 m³ / h der Abluftanlage zugeführt wird, noch verstärkt.

Im Sozialbereich im Obergeschoss, in dem höhere Zulufttemperaturen benötigt werden, deckt ein nachgeschalteter Erhitzer die Spitzenlast ab. Beide Lüftungsgeräte sind mit energieeffizienten EC-Motoren ausgestattet, die stufenlos gesteuert werden können. Ein drittes Lüftungsgerät versorgt ausschließlich den Lackierraum und verfügt ebenfalls über eine integrierte Wärmerückgewinnung.

Adresse
Artis GmbH
Columbiadamm 23
10965 Berlin
www.artisengineering.de

Bundesland
Berlin

Bauherr
Artis GmbH
Wolf Deiß und Holger Meyer

Architekten
Roswag Architekten
Eike Roswag, Jan Schreiber, Maria Scheicher,
Oriol Domínguez Martínez, Julius Krüger

Tragwerksplaner
Ziegert | Seiler Ingenieure
Uwe Seiler, Frank Haase, Cornelius Schulz

Bauausführung
Märkische Ingenieur Bau GmbH (Rohbau)
Holzbau Hunold GmbH & CoKG (Holzbau)
Thein & Rios GmbH (Metallbau)
Schreinerei Nicklisch (Fenster)

Baujahr
Juli 2011 bis Februar 2012

Fotografin
Daniela Friebel

Objektdaten
Bruttogrundfläche 1.974 m2, Nutzfläche 1.619 m2, Bruttorauminhalt 9.957 m3

Energiekonzept
Gebäude ist Referenzgebäude (EnEV 2009), Jahresprimärenergiebedarf [kWh / m Transmissionswärmeverlust Ht [W / qmK] 0,300 0,370 CO2] 164 276,112-Emission [kg/a] 50.000 107.625, Leistung der Photovoltaikanlage 29,5 kWp

Besonderheiten
Film über Bauphase unter www.architekturclips.de/artis_berlin