ICD/ITKE Forschungspavillon 2011

70174 Stuttgart

Aus über 500 schmalen Birkenholzelementen wächst ein luftiger Pavillon auf dem Uni-Campus in der Stadtmitte. Sein ästhetisches Äußeres entstand durch neue Entwurfs- und Herstellungsmethoden, die diese Konstruktion erst ermöglichten. Der innovative Bau demonstriert den neuesten Stand der Entwicklung computerbasierter Entwurfs-, Simulations- und Produktionsprozesse in der Architektur und setzt diese in einer komplexen Tragkonstruktion aus elastisch gebogenen Sperrholzstreifen um.

Das Projektteam an der Schnittstelle von Forschung und Lehre untersuchte, wie die neuen Methoden zu architektonischen und konstruktiven Möglichkeiten führen, die auf dem elastischen Biegeverhalten von Holz beruhen. Die aus diesen Untersuchungen hervorgegangene Tragstruktur bezieht ihre Leistungsfähigkeit aus der geometrischen Differenzierung und elastischen Formung extrem dünner Holzstreifen. Zentral für die Planung und Ausführung war dabei ein digitales Informationsmodell, das die Integration verschiedener Entwurfsparameter ermöglicht. Planung, statische Berechnung und Herstellung wurden auf diese Weise miteinander verbunden, so dass die funktionale Integration der verschiedenen Entwurfsaspekte und eine direkte Umsetzung dieses innovativen Versuchsbaus möglich waren. Der Forschungspavillon konnte aufgrund dieses Entwicklungs-Systems von dem studentischen und wissenschaftlichen Projektteam selbst geplant, produziert und errichtet werden.

Durch das Biegen von 10 Meter langen, aber mit einer Materialstärke 6,5 Millimetern sehr dünnen Birkensperrholzstreifen wird die sich selbststabilisierende Konstruktion unter Eigenspannung gesetzt. Dadurch fügen sich die eigentlich weichen Sperrholzstreifen zu einem steifen Tragwerk. Die Geometrie des Pavillons ergibt sich dabei aus der Kopplung von 80 einzelnen Holzstreifen zueinander und bildet einen Torus mit 10 Meter Außendurchmesser und einer Spannweite von 3,50 Meter. Die exakte Form der Biegelinien und deren Abhängigkeiten untereinander ermittelten die Forscher experimentell an der fakultätseigenen Prüfeinrichtung und auch anhand von parametrischen digitalen Modellen. Auf dieser rein geometrischen Grundlage entwickelten sie dann eine Methode zur numerischen Formfindung. Diese erlaubt es, durch Simulation des tatsächlichen Materialverhaltens unter allen vorgegebenen geometrischen und physikalischen Randbedingungen das exakte Biege- und Tragverhalten der gekoppelten Streifen zu berechnen. Auf Grundlage dieser digitalen Formfindung entstand ein statisches Modell, das die eingeprägten Biegespannungen berücksichtigt und die Bemessung der Konstruktion unter Windlasten ermöglicht.

Die universitätseigene robotische Fertigungsanlage stellte die so entwickelte Struktur her. Diese computergestützte Fabrikationsmethode ermöglichte die notwendige Differenzierung der Konstruktion, die aus mehr als 500 geometrisch unterschiedlichen Teilen besteht, und erlaubte somit, den Forschungspavillon gemäß der Entwurfs- und Tragwerks-Parameter äußerst genau vorzufertigen. Die aus dem Informationsmodell und aus der Simulation stammenden Daten und Ergebnisse wurden dabei direkt in den Maschinen-Code übersetzt, so dass die Informationsketten aus Entwurf, statischer Planung und örtlichen Randbedingungen nahtlos ineinander greifen und von Anfang an in den Fertigungsprozess integriert werden konnten.

Adresse
Keplerstraße 11, 70174 Stuttgart
www.uni-stuttgart.de

Bundesland
Baden-Württemberg

Bauherr/Bauherrin
Universität Stuttgart, Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen – Prof. Jan Knippers
www.itke.uni-stuttgart.de

Architekten
Universität Stuttgart, Institut für Computerbasiertes Entwerfen – Prof. Achim Menges
icd.uni-stuttgart.de

Tragwerksplaner
Universität Stuttgart, Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen – Prof. Jan Knippers
www.itke.uni-stuttgart.de

Bauausführung
Im Rahmen eines studentischen Projekts

Baujahr
2011

Auszeichnungen
Stuttgarter Leichtbaupreis 2011
International Design Award 2012 – Silver Student Price
Holzbaupreis Baden-Württemberg 2012 – Kategorie Innovation
Deutscher Holzbaupreis 2013 – Engere Wahl

Ansprechpartner
Oliver David Krieg
oliver.krieg(at)icd.uni-stuttgart.de

Fotograf
ICD/ITKE Universität Stuttgart

Gebäudeart
Temporärer Forschungspavillon

Bauweise
Doppelschalige Sperrholzplattenkonstruktion in Leichtbauweise

Objektdaten
BGF 72m², BRI 200m³, 277m² verbautes Sperrholz, 1,2 t Eigengewicht, 16,9kg/m² Flächengewicht (Grundfläche)