Mit der Veröffentlichung der Eurocode-Reihe 2008 begann eine Diskussion um die Praxistauglichkeit dieses neuen Normenwerkes, die bis heute anhält. Dabei geht es immer wieder um konkrete Bemessungsregeln, die für Unklarheiten sorgen.
Einen konstruktiven und konsequenten Weg gingen die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen und die Landesvereinigung der Prüfingenieure für Baustatik Nordrhein-Westfalen, als sie die Kritik ihrer Mitglieder aufnahmen und 2010 gemeinsam einen Wettbewerb zur Normvereinfachung ausschrieben. Als Referenz für diese Initiative wurde der Holzbau mit der damals gültigen DIN 1052 und dem EC 5 ausgewählt. Der Wettbewerb wurde nach allen Regeln, die für Ingenieurwettbewerbe gelten, organisiert. Das heißt, es gab eine klare Transparenz der Vorgänge von der Definition der Wettbewerbsaufgabe über die Ausschreibung bis hin zur Entscheidung und zur Vergabe der ausgelobten Preise.
Der erste Preis wurde Prof. Werner Seim von der Universität Kassel zugesprochen. Sein Konzept sah vor für den Holzbau eine Richtlinie zu entwickeln, die sich innerhalb der Regelungen des EC 5 bewegt. Allerdings sollte der Umfang der Richtlinie auf etwa 20 % des Normtextes reduziert werden. Dazu war vorgesehen, Anwendungsgrenzen einzuführen. Als Anwendungsgrenzen bieten sich die Größe des Objekts an: Bei mehrgeschossigen Bauten wurde die Firsthöhe mit maximal 18 m definiert, bei Hallen die Spannweite mit 25 m und die Höhe mit 10 m. Rahmenartige Aussteifungssysteme, zu-sammengesetzte Querschnitte und Fachwerkträger sollten in der Richtlinie nicht behandelt werden.
2011 wurde Prof. Seim von der Ingenieurkammer beauftragt, sein Konzept umzusetzen. Die zeitliche Vorgabe war mit etwa einem Jahr sinnvoll gewählt. So konnte ab Ende 2012 in ausgewählten Ingeni-eurbüros in Nordrhein-Westfalen eine mehrmonatige Probeanwendung durchgeführt werden. Die Er-fahrungen aus dieser Pilotphase führten nochmals zu einer letzten Überarbeitung, die diesen Herbst abgeschlossen wurde.
Die "Richtlinie Holzbau - Vereinfachte Bemessung von Holztragwerken nach DIN EN 1995" liegt nun in gedruckter Fassung vor und kann für 17,50 € bei der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen bezogen werden. Sie ist eine wertvolle Arbeitshilfe für alle Phasen der Tragwerksplanung und insbesondere dazu geeignet, die Abhängigkeit des Ingenieurs von einschlägigen Rechenprogrammen stark zu reduzieren.