von Andreas Rabold
Das Wohlbefinden des Menschen kann durch unerwünschten Lärm stark beeinträchtigt werden. Gerade bei Leichtbauweisen - so auch im Holzbau - gilt es, das bauphysikalisch begründete Regelwerk zum Schallschutz zu beachten und bei den sensiblen Bauteilen wie Decken oder Wohnungstrennwänden in den Bauteilaufbauten zu berücksichtigen.
Zum Schutz gegen unzumutbare Belästigungen aus fremden Wohnbereichen werden in DIN 4109 (1) Anforderungen an die Schalldämmung der Trennbauteile zwischen den Wohnbereichen gestellt. Gerade im mehrgeschossigen Holzbau gilt als wichtigstes Trennbauteil die Decke, an die Anforderungen für die Luft- und die Trittschalldämmung gestellt werden. Für die Luftschalldämmung gilt das Schalldämm-Maß R - also der Widerstand des Bauteils gegenüber der Schallübertragung. Für die Trittschalldämmung ist der Norm-Trittschallpegel maßgeblich - also der tatsächlich übertragene Pegel bei Anregung der Decke mit einem Norm-Hammerwerk.
Diese Anforderungen sind mit heute üblichen Trenndeckenkonstruktionen bei fehlerfreier Ausführung sowohl in Holzbauweise als auch in Massivbauweise problemlos einzuhalten. Dies belegen auch Güteprüfungen der Luft- und Trittschalldämmung von Trenndecken auf der Baustelle. Dennoch wird bei Umfragen unter den Bewohnern von Mehrfamilienhäusern in der Regel die Trittschallübertragung im Massivbau wie auch im Holzbau als die störendste Geräuschquelle genannt. (2, 3)
Die Beurteilung der Trittschallübertragung von Trenndecken anhand des bewerteten Norm-Trittschallpegels (L'n,w) als alleinige Bewertungsgröße scheint somit - unabhängig von der Bauweise - nicht ausreichend zu sein, um dem subjektiven Empfinden des Bewohners gerecht zu werden.
Als Voraussetzung für die Auswahl geeigneter Deckenkonstruktionen im mehrgeschossigen Holzbau ist im ersten Schritt ein passendes Beurteilungskriterium für die Trittschallübertragung zu wählen. Da der messtechnische Nachweis für die Anforderungen laut DIN 4109 mit einem Norm-Hammerwerk als Anregungsquelle durchgeführt wird, ist die Übereinstimmung zwischen dem Ergebnis dieser Messung (dem bewerteten Norm-Trittschallpegel L'n,w beziehungsweise Ln,w) und dem subjektiven Empfinden des Bewohners bei der üblichen Anregung durch Begehen der Decke zu hinterfragen. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen zeigen relativ einheitlich, dass kein brauchbarer Zusammenhang zwischen den beiden Größen existiert.
Zur Veranschaulichung dieses Resultats werden Ergebnisse von Norm-Hammerwerks-Messungen mit den Trittschallübertragungen beim Begehen der Decken verglichen und die Ursache der schwachen Korrelation - die frequenzabhängige Darstellung einer typischen Trittschallübertragung beim Begehen einer Holzdecke - aufgezeigt. Wie anhand der Pegel deutlich ersichtlich ist, erfolgt die gesamte Übertragung beim Begehen der Decke unter 100 Hertz. Im Gegensatz hierzu wird bei der Bewertung des Norm-Trittschallpegels nach DIN EN ISO 717-24 ausschließlich der Frequenzbereich von 100 bis 3.150 Hertz verwendet.
Um dem Problem der geringen Korrelation zwischen realem Gehen und dem bewerteten Norm-Trittschallpegel zu begegnen, wurde in DIN EN ISO 717-24 ein Spektrum-Anpassungswert CI eingeführt. Durch die zusätzliche Berücksichtigung des Spektrum- Anpassungswerts (L'n,w + C I,50-2500) wird die Korrelation deutlich verbessert (Zielwerte für die Bauteilentwicklung aus dem Zusammenhang zwischen dem LAFmax,n und dem L'n,w + C I,50-2500).
Zur Festlegung der Zielwerte für eine gute Trittschalldämmung lässt sich nun das subjektive Empfinden berücksichtigen. Die in einigen europäischen Ländern bereits umgesetzte Anforderung an den Norm-Trittschallpegel L'n,w + C I,50-2500 ≤ 53 dB (3) entspricht den Zielwerten für die Bauteilentwicklung aus dem Zusammenhang zwischen dem LAFmax,n und dem L' n,w + C I,50-2500 - im Beispiel rechts in etwa einem LAFmax,n ≤ 35-37 dB (A). Erfahrungsgemäß ist oberhalb dieser Grenze mit störenden Trittschallübertragungen zu rechnen. (8) Für einen L' n,w + C I,50-2500 ≤ 46 dB beträgt der A-bewertete Trittschallpegel in etwa L AFmax,n ≤ 30 dB (A) und ist, je nach Umgebungsgeräusch, kaum noch wahrnehmbar. Zur konstruktiven Umsetzung in der Decke stehen für die schalltechnische Optimierung zwei Möglichkeiten zur Verfügung: die Erhöhung der Masse und die Verbesserung der Entkopplung. Durch die Erhöhung der Masse in Form einer Rohdeckenbeschwerung oder einer Beschwerung der Unterdecke wird die Anregbarkeit (Admittanz) reduziert und damit eine geringere Schallabstrahlung erreicht. Die Entkopplung durch einen schwimmenden Estrich oder eine abgehängte Unterdecke reduziert oberhalb der genügend tief abzustimmenden Resonanzfrequenz die Übertragung der Bauteilschwingungen innerhalb der Konstruktion.
Die Erarbeitung von Konstruktionshilfen für schalltechnisch optimierte Deckenaufbauten erfolgte durch numerische Berechnungen der Trittschallübertragung. (5) Anhand der numerischen Berechnungen des validierten Modells ließen sich die Wechselwirkungen der Deckenkomponenten mit geringem Aufwand untersuchen und optimierte Konstruktionen erarbeiten. Nach der messtechnischen Überprüfung der optimierten Konstruktionen wurden die Ergebnisse in Form von Konstruktionshilfen für verschiedene Holzdeckenkonstruktionen und Holz-Beton-Verbunddecken zusammengestellt. Zusätzlich überprüfte man die Konstruktionen auf ihre Schwingungsanfälligkeit.
Als Beispiel für optimierte Deckenkonstruktionen zeigen die beiden obigen Abbildungen den Vergleich der Messergebnisse einer Massivholzdecke und einer Holzbalkendecke mit den Norm-Trittschallpegeln konventioneller Stahlbetondecken. Als Optimierungsansatz wurde hier die schallabstrahlende Ebene (Massivholzelement beziehungsweise Unterdecke) beschwert. Ein Beispiel für optimierte Decken durch effektive Entkopplung ist in der Abbildung darunter zu sehen. Die Gegenüberstellung zeigt, dass sich bei entsprechender Konstruktion die gute Trittschalldämmung einer Stahlbetondecke auch mit deutlich leichteren Decken erreichen lässt.
Zwei aktuelle mehrgeschossige Wohngebäude in Bad Aibling illustrieren die Schallschutzmaßnahmen (Bauherr: B & O, Architekt: Schankula Architekten). Bei den hier realisierten Konstruktionen werden die im Labor ermittelten Luft- und Trittschallwerte den Ergebnissen der Baumessung inklusive der Flankenübertragung gegenübergestellt. Die Konstruktion der Decken und Wände erfolgte in Massivholzbauweise. Die Trenndecke erhielt zusätzlich zum schwimmenden Zementestrich eine Beschwerung aus gebundenem Splitt. Die Untersicht der Trenndecke konnte wunschgemäß in weiten Bereichen sichtbar bleiben. Alle tragenden Wände sind aus Brandschutzgründen mit einer K 260-Kapselung aus Gipsfaserplatten (2 x 18 Millimeter) versehen. Die Wohnungstrennwände wurden im zuerst erstellten viergeschossigen Gebäude als komplett getrennte Wandscheiben konstruiert. Im achtgeschossigen Gebäude ließ sich die Trennwandkonstruktion aufgrund der positiven Erfahrungen im ersten Bauwerk und ergänzender Labormessungen auf eine kostengünstigere einschalige Konstruktion mit entkoppelter Installationsebene reduzieren.
Die Ergebnisse der Luft- und Trittschallmessung am Bau wurden mit den Ergebnissen ähnlicher Konstruktionen im Labor ohne Nebenwege verglichen. Den Norm-Trittschallpegel der Trenndecke im viergeschossigen Wohngebäude zeigt die obenstehende Abbildung. Mit einem L' n,w + C I,50-2500 = 45 Dezibel liegt das Ergebnis inklusive der Flankenübertragung nach Zielwerte für die Bauteilentwicklung aus dem Zusammenhang zwischen dem LAFmax,n und dem L'n,w + CI,50-2500 (3) im "Komfortbereich". Die Bewohner des Gebäudes bestätigen, dass Gehgeräusche kaum noch wahrnehmbar sind. Im achtgeschossigen Gebäude führte man die Trenndecke in den unteren Etagen vergleichbar aus, in den oberen Geschossen wurden Versuchsaufbauten mit Trockenestrich realisiert.
Der gezeigte Vergleich der Baumessungsergebnisse mit den Laborergebnissen ohne Flankenübertragung belegt auch, dass die tieffrequente Trittschallübertragung unter 100 Hertz durch die Flankenübertragung am Bau kaum beeinflusst wird. Beide Messkurven liegen in diesem Frequenzbereich nahe beieinander. Auch die Einzahlwerte inklusive Spektrumanpassungswert unterscheiden sich um nur drei Dezibel. Dies bestätigt auch die statistische Auswertung der im Institut für Fenstertechnik Rosenheim für Trenndecken vorhandenen Vergleiche zwischen Labor- und Baumessungen. Die Differenzen lagen dort zwischen 0 und drei Dezibel. (11)
Bei der Luftschalldämmung hingegen dominiert die Flankenübertragung (siehe Abbildung oben rechts). Hier wird das Schalldämm- Maß von Rw = 77 Dezibel für die Trenndecke ohne Nebenwege auf Rw = 59 Dezibel inklusive Nebenwege reduziert. Der Zielwert (Schallschutzstufe II nach VDI 4100:2007) wurde sicher erreicht. Aufgrund der Kapselung der flankierenden Wände mit Gipsfaserplatten lässt sich in der Planungsphase zeigen, dass eine zusätzliche Entkopplung des Deckenauflagers mit Elastomeren für dieses Bauvorhaben nicht erforderlich ist.
Für die Zufriedenheit der Bewohner mit der Schalldämmung einer Decke ist das subjektive Empfinden der Trittschallübertragung maßgeblich. Als Maß für dieses Empfinden lässt sich der A-bewertete Trittschallpegel beim Begehen der Decke verwenden. Da zwischen diesem Trittschallpegel und dem L'n,w als Einzahlbewertung nach DIN EN ISO 717-24 kein ausreichender Zusammenhang besteht, wurde für die Festlegung der zu erreichenden Zielwerte die zusätzliche Bewertung durch den Spektrum-Anpassungswert CI,50-2500 verwendet.
Anhand der nun ausreichenden Korrelation ließen sich Zielwerte (L' n,w + CI,50-2500 ≤ 53 Dezibel beziehungsweise ≤ 46 Dezibel) festlegen und entsprechend ausgelegte Deckenaufbauten als "Demonstratoren" entwickeln. Wie erste Prüfergebnisse in ausgeführten Objekten zeigen, erfüllen Holzbaukonstruktionen bei guter planerischer und technischer Umsetzung die Zielwerte an den Schallschutz auch in der subjektiven Wahrnehmung. Dies ist gerade im städtischen mehrgeschossigen Bauen von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz der Gebäude.
Andreas Rabold Dr., Bauingenieur, geb. 1968, Holztechnikstudium an der Hochschule Rosenheim, anschließendes Bauingenieurstudium und Promotion an der TU München, Tätigkeit als Produktingenieur und Prüfstellenleiter am IFT Rosenheim, Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim; Lehr- und Forschungsschwerpunkt: Bauakustik für den Holzbau
1 DIN 4109, Schallschutz im Hochbau, Anforderungen und Nachweise November 1989 und Beiblatt 1 zur DIN 4109 Schallschutz im Hochbau, Ausführungsbeispiele und Rechenverfahren, November 1989.
2 Hendrik Reichelt: Schall- und schwingungstechnische Lösungen im Holzbau, Hochschule Rosenheim, 2008.
3 Judith Lang: Schallschutz im Wohnungsbau, Forschungsbericht ifip TU Wien, 2006.
4 DIN EN ISO 717-2, Akustik – Bewertung der Schalldämmung in Gebäuden und von Bauteilen – Teil 2: Trittschalldämmung (ISO 717-2:1996 + AM1:2006); Deutsche Fassung EN ISO 717-2:1996 + A1:2006, 2006.
5 Andreas Rabold / Ernst Rank: Anwendung der Finite-Elemente-Methode auf die Trittschallberechnung, Teilbericht zum Kooperationsprojekt: Untersuchung der akustischen Wechselwirkungen von Holzdecke und Deckenauflage zur Entwicklung neuartiger Schallschutzmaßnahmen, IBP Stuttgart u.a. 2009.
6 Daniel Erhardt / Dennis Morkötter: Gehversuche auf Holzdecken zum Vergleich mit den bewerteten Norm-Trittschallpegeln gemäß DIN EN ISO 717, Studienarbeit, Hochschule Rosenheim, 2010.
7 Jochen Seidel: Trittschall- und Geher-Messungen im Deckenprüfstand der Fa. Knauf Gips KG, Iphofen 2010.
8 Christian Burkhart: Tieffrequenter Trittschall – Messergebnisse, mögliche Ursachen. Tagungsband DAGA ’02, Oldenburg 2002.
9 Andreas Rabold / Joachim Hessinger / Stefan Bacher: Schallschutz, Holzbalkendecken in der Altbausanierung. Mikado plus 3, IFT Rosenheim 2008.
10 Andreas Rabold / Patricia Hamm: Schall- und schwingungsoptimierte Holzdecken, in: bauen mit holz 4 / 2009, S. 38–43.
11 Andreas Rabold / Ulrich Schanda / Joachim Hessinger: Korrelation zwischen Geher und Norm-Hammerwerk bei der Trittschallübertragung, Tagungsband DAGA’ 11, Düsseldorf 2011.