Stadtwerke Neustadt in Holstein

23730 Neustadt

© Oliver Kuty Photography

Der Neubau der Verwaltungs- und Betriebsgebäude der örtlichen Stadtwerke bildet am Ortseingang von Neustadt in Holstein auf einem exponierten Grundstück die neue Visitenkarte der Stadt. Das Grundstück ist durch eine leichte Hanglage geprägt und erlaubt es, die Gebäude prägnant zu platzieren. Das Gesamtprojekt umfasst den Neubau des Verwaltungsgebäudes, ein Werkstatt- und Lagergebäude mit Fahrzeugwaschhalle sowie eine Fahrzeughalle.

Zwischen den drei Gebäuden befindet sich der in die Hangebene abgesenkte zentrale Betriebshof. Von diesem werden alle Gebäude für den internen Betrieb erschlossen. Das Verwaltungsgebäude erhält in der Nähe des Kreisverkehrs einen repräsentativen Eingang auf der höher gelegenen Ebene. Die Gebäude bilden ein Ensemble, das durch ein gemeinsames Materialkonzept zu einer architektonischen Einheit zusammengeführt wird.

Mit dem Neubau verfolgten die Stadtwerke das Ziel flexibel auf die Anforderungen künftiger Betriebsentwicklungen reagieren zu können. Gleichzeitig kommen sie der Vorbildfunktion einer öffentlichen Einrichtung nach und sind langfristig konkurrenzfähig.

Im Einzelnen wurde dies durch die Erweiterung der Büroflächen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Verwaltung und gewerblichem Bereich erreicht. Die Ausrichtung des Neubaus auf zukünftige Bedarfe mittels Anpassungsfähigkeit und Nutzungsflexibilität bei einer gleichsamen Angemessenheit in der Gestaltung unterstreicht die besondere Bedeutung.

Das Verwaltungsgebäude umfasst alle von der Verwaltung benötigten Räume und einen Sozialbereich für alle Mitarbeiter. Das eingeschossige Werkstattgebäude beherbergt u.a. die Werkstätten und die Meisterbüros, eine Fahrzeugwaschhalle und die Lagerflächen für Zähler und Kleinteile. Die Fahrzeughalle bietet eine witterungs-geschützte Abstellmöglichkeit für die Betriebsfahrzeuge der Stadtwerke.

Die Gebäude haben aufgrund der topografischen Bedingungen und der damit verbundenen Baugrundgegebenheiten einen massiven Sockel aus Stahlbeton. Die kerngedämmten Sockelwände erhielten eine Vormauerschale aus Klinker. In allen oberirdischen Geschossen der Gebäude bilden modulare Holzkonstruktionen aus tragenden Brettschichtholzstützen und -trägern sowie tragenden Massivholzwandscheiben die Konstruktion der Außenwände. Die beiden Obergeschosse von Haus A sowie die Fassaden- und Dachelemente der Häuser B und C wurden in Holzmassivbauweise ausgeführt. Die Zwischendecken vom Verwaltungsbau wurden im Kernbereich ebenfalls als Massivholzdecke ausgeführt. Die Deckenelemente über den Büroflächen sind modulare Holz-Beton-Verbundkonstruktionen.

Trotz polygonaler Grundrissform wurde das Bausystems des Verwaltungsbaus so gewählt, dass auf einem orthogonalen Raster unterschiedliche Raumgrößen entsprechend sich ändernder Nutzungsanforderungen realisiert werden können. Durch die zentrale Anordnung der Versorgungskerne und die Leitungsführung in den Flurzonen, ist eine flexible technische Anbindung der Büroraumachsen möglich. Regelmäßige Aussparungen in der Massivholzträgerebene ermöglichen eine je nach Nutzung notwendige Anpassung der Versorgungstechnik in den Büroräumen. Die verschiedenen Technikkomponenten sind dabei in den Büroräumen frei sichtbar unter den Decken geführt.

Als Wärmedämmung wurde Holzfaserdämmstoff mit einer außenseitigen Fassadenbahn vorgesehen. Die Fassadenbekleidung besteht aus einer hinterlüfteten vertikalen Holzverschalung aus aufgeschnittenem Alteichenholz, welches aus rückgebauten Bauernhofscheunen stammt. Die Mischkonstruktion des Verwaltungsgebäudes besticht dabei durch die in den Bürobereichen sichtbare Holz-Beton-Verbunddecken. Dabei dienen die mittels Schraubverbindung fixierten Betonfertigteile als thermische Speichermasse für das Büroraumklima.

Von der Herstellung bis zur Entsorgung sowie für die Wartung und Instandhaltung (Nutzung) sollte für den Neubau der Gebäude der Stadtwerke ein möglichst geringer Energieeinsatz (graue Energie) notwendig werden. Die Masse der eingesetzten Materialien hat einen wesentlichen Einfluss auf die benötigte graue Energie. Somit kommt dem Rohbau aufgrund der mit der Konstruktion verbundenen Masse eine zentrale Bedeutung zu. Entsprechend ist in einer sehr frühen Planungsphase die Entscheidung über die Bauweise (des Rohbaus) zu treffen gewesen.

Der schadensfreie Ausbau von Bauteilen und die sortenreine Trennung der Baustoffe sorgen bei der Demontage des Gebäudes für eine Reduzierung der Abfälle und einen hohen Grad der Wiederverwendung bzw. -verwertung. Um dies zu gewährleisten, wurden nach Möglichkeit leicht demontierbare Holzkonstruktionen gewählt. Bei dem umgesetzten umfassenden Nachhaltigkeitskonzept standen die Wiederverwendung von gebrauchten Bauteilen, der Einsatz von Recyclingbaustoffen, der großflächige Einsatz nachwachsender Rohstoffe sowie die Energieeffizienz im Betrieb im Vordergrund.

Das nachhaltige Gebäudeensemble besticht dabei durch Ressourcenschonung in der Herstellung sowie CO2-Neutralität im Betrieb. So wird der durch den Energiebedarf des Gebäudes hervorgerufene CO2-Ausstoß im gebauten Zustand durch eine regenerative Stromproduktion um 3,4 % überkompensiert. Der Planungsprozess wurde dabei von Beginn an von der Aufgabenstellung geprägt, jedes Bauteil auf den möglichen Einsatz von wiederverwendeten Baustoffen oder recycelten Baustoffen zu überprüfen. Dieser Prozess wurde durch ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Forschungsvorhaben begleitet und dokumentiert. Ziel war es, den Einsatz, die Wiederverwendung und die Integration von zuvor gebrauchten und recycelten Baustoffen an einem öffentlichen Bauvorhaben projektbegleitend zu untersuchen.

Beispielhaft sind hier die Fassaden der drei Baukörper und die Glasbürotrennwände im Inneren des Verwaltungsgebäudes zu nennen. Die Holzfassaden wurden aus gebrauchten historischen Eichenfachwerkbalken hergestellt. Die Bürotrennwende konnten aus einem aufgegebenen Hamburger Bürogebäude ausgebaut und durch Wiedereinbau vor der Entsorgung gerettet werden.

Ziel der Planung war es, ein möglichst einfaches technisches Konzept bei optimiertem Aufenthaltskomfort umzusetzen. Dabei sind die Nutzungsanforderungen, die Konstruktion, die technischen Anlagen für Elektro, Heizung, Lüftung, sowie die Aufenthaltsqualität, die Gestaltung und die Materialwahl integrale Bestandteile eines Gesamtkonzeptes. Die Wärmeversorgung erfolgt mittels einer Sole-Wasser Wärmepumpe. Die Büroräume erhalten Deckensegel zu Beheizung. Die Deckensegel können reversibel zur unterstützenden Kühlung eingesetzt werden, indem im Sommer über die Erdsonden passiv gekühlt wird. Die Räume werden mit einer hybriden Lüftung versehen und erhalten einen Sonnen- und Blendschutz.

Adresse
Neukoppel 2
23730 Neustadt

Bundesland
Schleswig-Holstein

Bauherrin
Stadtwerke Neustadt in Holstein
vertreten durch Vera Litzka

Architekten
ARGE - IBUS Architekten GmbH, Bremen
zusammen mit Rissmann + Spieß Architekten, Neustadt i. H.
Prof. Ingo Lütkemeyer, Mathias Salbeck, Martin Spieß

Tragwerksplaner
Drewes + Speth, Beratende Ingenieure PartGmbB, Hannover
Prof. Dr. Martin Speth, Liam Winckler

Lebenszyklusanalyse und Energienachweise
TARA Ingenieurbüro GmbH & Co.KG, Varel
Susanne Korhammer, Kim Maertel

Bauausführung
Brüggemann Holzbau GmbH & Co. KG, Neuenkirchen

Bauzeitraum
2016 - 2018

Auszeichnungen
Holzbaupreis Schleswig-Holstein und Hamburg 2020, Preisträger
Bundespreis Umwelt & Bauen 2020, Besondere Anerkennung
BDA-Preis Schleswig-Holstein 2019, Anerkennung
Deutscher Holzbaupreis 2019, Engere Wahl
Energieeffiziente Gebäude 2050, Preisträger

Ansprechpartner
Prof. Ingo Lütkemeyer
IBUS Architekten GmbH

Fotos
Oliver Kuty Photography, Lübeck
IBUS Architekten GmbH, Bremen

Gebäudeart
Verwaltungsgebäude und Betriebshof mit Werkstätten, Lagergebäude und Fahrzeughallen

Bauweise
Demontierbarer Holzmassivbau mit hinterlüfteter Eichenholzfassade auf Stahlbetonsockel mit Verblendmauerwerk, extensive Dachbegrünung, Einsatz von Recyclingbaustoffen und historischen Bauteilen

Objektdaten
Grundstücksfläche: ca. 8.300 m²
BGF gesamt: 3.415 m² (BGF Verwaltungsgebäude: 2.034 m², BGF Werkstätten-/ Lagergebäude: 909 m², BGF Fahrzeughalle: 472 m²)

Nachhaltigkeitskonzept
Nutzung der thermischen Gebäudemassen
weitgehender Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen
Wiederverwendung gebrauchter Bauteile
Einsatz von Recyclingbaustoffen
Vermeidung von Verbundstoffen
Einsatz demontierbarer Konstruktionen
Abfallvermeidung, recyclingfähige Konstruktionen

Technische Ausstattung
CO2-neutrales Low-Tech-Technikkonzept
Erdreich-Wärmepumpe reversibel
hybride Lüftung, dezentrale Lüftungsanlagen mit WRG
Photovoltaikanlagen, 99 kWp
raumweise Regelung der Deckenstrahlplatten
LED-Leuchten, Tageslichtsteuerung
reversible Installationen

Energiekonzept
Wärmedämmstandard Passivhaus
Wärmeversorgung mittels Sole-Wasser Wärmepumpe
Büroräume mit Deckensegel zur Beheizung/Kühlung
Hybride Lüftung, Sonnen- und Blendschutz