Hauptsitz der Swatch AG

CH-2501 Biel

© Swatch

Seit langem plante die Swatch-Group an ihrem neuen Firmensitz in Biel in der Westschweiz zwei Erweiterungsbauten und ein neues Hauptquartier für ihre Marken Omega und Swatch AG. Den dafür 2010 ausgelobten Architekturwettbewerb konnte der japanische Architekt Shigeru Ban für sich entscheiden. Mit seinem Entwurf gelang Shigeru Ban der gestalterische Spagat, den beiden sehr verschiedenen Marken Omega und Swatch mit seinen Neubauten ein architektonisches Gesicht zu geben und die denkmalgeschützten Industriebauten aus der Frühzeit der Industrialisierung zu integrieren.

Shigeru Ban entwarf die drei Gebäude in unterschiedlichen Holzbautechniken. Angesichts der ökologischen Nachhaltigkeitsziele der Bauherrschaft und inspiriert von der renommierten Bieler Fachhochschule für Architektur und Holzbau erschien dem Architekten "der einzige nachwachsende Baustoff der Welt" als logische Konsequenz. Er wollte mit seinen Holzbauten der Stadt neue Wahrzeichen geben und die unterschiedlichen Konzepte der beiden Marken in ihren Gebäudeformen zum Ausdruck bringen.

Seine eindrucksvolle organische Form windet sich am Fluss entlang durch die Landschaft und überspannt den neuen Hayek-Platz, um schließlich auf dem Dach des neuen Zentralbaus anzudocken. Das langgezogene Gebäude wird von einem riesigen gitterförmigen Tragwerk aus Holz bedacht, das mit einer Länge von 240 m, einer Maximalspannweite von 34 m und einer Höhe von 26,80 m gewaltige Ausmaße hat.

Überspannt wird die Tragstruktur von einer vielgestaltigen Hülle aus 11 verschiedenen Fassadenelementen: Darunter sind geschlossene und gedämmte Elemente, transparente Glaselemente, Sonnenschutzelemente mit Sonnenschutzglas, Photovoltaik-Elemente, Elemente mit Luftkissen aus ETFE-Folie und optische bzw. akustisch wirksame Inlets aus Schweizer Kreuzen sowie einige großformatige Balkonöffnungen in der Fassade.

Für die Holzbauer von Blumer Lehmann ist diese Konstruktion mit einer Fläche von 11.000 m² die bisher größte Gitterschale, die in der Firmengeschichte realisiert wurde. Zuvor war die Form in einer dreijährigen Planungsphase auf ihre Machbarkeit geprüft und die Geometrie der Träger definiert worden. Keines der 4.481 Trägerelemente der gitterförmigen Tragstruktur ist wie ein anderes, alle sind Unikate, es gibt keine Wiederholung.

Zusammen mit den Holzbauingenieuren der SJB.Kemptner.Fitze AG und anderen Fachingenieuren sowie den Architekten wurden die Grundlagen ermittelt, auf deren Basis ein detailliertes Koordinationsmodell erstellt werden konnte. Als dann 2015 nach der Vergabe die Entscheidung fiel, die Haustechnik mit allen Leitungen für Elektro, Klima und die Sprinkleranlage in die Tragstruktur zu integrieren, musste die Detaillierung noch einmal überarbeitet werden. Das bedeutete zusätzliche Abstimmungsrunden mit den Holzbauingenieuren und Fachplanern, um alle Durchdringungen bis zum letzten Bohrloch einzumessen und zu überprüfen.

Nach erfolgter Detaillierung konnten die 2D-Pläne für die 3D-Modellierung parametrisiert werden. Basierend auf diesem 3D-Modell wurden drei verschiedene Rohlingstypen aus Brettschichtholz definiert: "gerade", "einsinnig gekrümmte" und "zweisinnig gekrümmte" Träger. Wie die geraden Träger eignen sich auch einsinnig gekrümmte Träger für schwach gekrümmte und leicht verdrehte Bauteile.

Aufgrund der Gebäudeform kamen jedoch mehrheitlich zweisinnig gekrümmte Träger zum Einsatz, die aus Rohmaterial gefertigt wurden, das in zwei Richtungen gebogen und verdreht zu Brettschichtholz verleimt ist. Durch die Parametrisierung konnten auch die über 16.000 Stahlteile und 140.000 Verbindungsmittel auf einige wenige Typen heruntergerechnet werden.

Um den Montagetermin einzuhalten, wurden die Trägerelemente auf fünf verschiedenen Produktionsanlagen von Blumer Lehmann gefertigt. Die Anlagen wurden teilweise vierschichtig betrieben. Welche Bauteile auf welcher Anlage produziert wurden, musste frühzeitig festgelegt werden, um das richtige Rohmaterial und die Produktionsdaten passend für die jeweiligen Maschinen verfügbar zu halten. Die unterschiedlichen Krümmungsradien der bis zu 13 m langen Rohlinge erschwerten ihre Lagerung, die deshalb ebenfalls mit großer Genauigkeit geplant und vorbereitet werden musste. Für die gesamte Tragstruktur wurden 6.500 Schweizer Fichten benötigt, insgesamt wurden über 2.000 m³ Holz verarbeitet.

Eine weitere Herausforderung war die Planung der Montage. Nachdem entschieden war, wie man die ineinandergreifenden Teile Stoß auf Stoß montieren kann, wurde die Reihenfolge für die Montage festgelegt. Das betraf auch die Produktion der Trägerelemente, denn sie mussten exakt in dieser Reihenfolge produziert und auf die Baustelle gebracht werden.

Bevor die Teile auf der Baustelle montiert werden konnten, wurde von Blumer Lehmann ein Leergerüst erstellt und die Auflagerpunkte exakt definiert. Die Messdaten dafür konnten aus dem 3D-Modell gewonnen werden. Die Hilfskonstruktion diente dazu, die Hauptkonstruktion bis zur Fertigstellung zu stützen und erlaubte später den Folgegewerken, die Installationen und die Fassadenarbeiten auszuführen. Vor dem Zentralgebäude musste die Straße auch während der gut neunmonatigen Montagephase für den Verkehr befahrbar bleiben. Daher wurde in fast 13 m Höhe eine zusätzliche Plattform als Montagetisch erstellt, von der aus die Monteure arbeiten konnten.

Die eigentliche Gitterschale baute man in 13 aufeinanderfolgenden Etappen auf. Zuerst wurden die Schwellenelemente verankert, danach konnte von unten nach oben aufeinander zu gearbeitet werden, um in der Firstlinie in der Mitte zusammenzutreffen.

Adresse
Seevorstadt 6
CH-2501 Biel

Bauherrin
Swatch Group SA, Biel (CH)
www.swatchgroup.com

Architekt
Shigeru Ban Architects Europe, Paris (F)
www.shigerubanarchitects.com

Tragwerksplaner
SJB.Kempter.Fitze, Eschenbach (CH)
www.sjb.ch

Digitale Planung
Design-to-Production GmbH, Zürich (CH)
www.designtoproduction.com

Bauausführung
Blumer-Lehmann AG, Gossau (CH)
www.lehmann-gruppe.ch

Baujahr
2011 bis 2018

Ansprechpartner
Swatch-Group

Fotos
Swatch

Gebäudeart
Büro- und Verwaltungsgebäude

Objektdaten
240 Meter lang, 35 Meter breit, 27 Meter hoch
25.000 m2 Fläche auf 5 Stockwerken
Tiefgarage mit 170 Autostellplätzen und 182 Velostellplätzen
11.000 m2 Fassadenfläche
4.600 Balken aus 100% Schweizer Holz
2.800 Wabenelemente mit bis zu 50 Einzelteilen
9 Balkone zwischen 10 m2 und 20 m2

Lobby:
22 Meter Höhe
Zickzackverglasung ab 5,5 Meter Höhe, Höhe 22 Meter

Cite du Temps:
80 Meter lang, 17 Meter breit, 28 Meter hoch
Erdgeschoss mit 14 Arkaden mit einer Spannweite von 15 Metern und Breite von 5 Metern
Planet Swatch und Omega-Museum auf zwei Etagen
Ellipsenförmige Conference Hall in der vierten Etage mit Gesamtkapazität für bis zu 400 Personen
700 m2 Mosaikfläche mit ca. 1,5 Mio. Mosaiksteinen

Konstruktion
Holzgitterkonstruktion mit Steckprinzip

Energiekonzept
Beheizung und Kühlung des Gebäudes durch Grundwasserpumpsystem für Swatch, Omega und Cité du Temps mithilfe von 9 unterirdischen Brunnen und 2 ehemaligen Öltanks, die zu Wasserspeichern umfunktioniert wurden
442 gebogene Solarelemente, 1.770 m2 installierte Fotovoltaik