Wohn- und Werkstattgebäude Klavier-Matz

78337 Öhningen

Das Holz-Passivhaus steht oberhalb der Gemeinde Öhningen an der Hangkante eines Gewerbegebietes mit freiem Blick nach Süden auf das gegenüberliegende Schweizer Hügelland und den Ausläufer des Bodensees.

Das Gebäude ist ein reiner Holzbau in Holzdämmständerbauweise mit 30 cm Zellulosedämmung und außenseitiger Beplankung mit Holzweichfaserplatte auf minimierter Bodenplatte. Das Gebäude ist nicht unterkellert. Im Sockel befinden sich auf quadratischem Grundriss eine Klavierbauerwerkstatt, der minimierte Technikschrank und der Büroarbeitsplatz der Bauherren. Wegen des besseren Ausblicks und der Gewerbenutzung im Umfeld liegen darüber die Wohnräume im Obergeschoss, von denen sich wiederum die Schlafzimmer als eingeschossiges Bauteil nach Osten hinausschieben.

Eine mit der vorvergrauten Lärchenschalung räumlich gefasste und vor Einsicht geschützte Terrasse umschreibt nach Westen exakt das gleiche Volumen noch einmal. Unter diesen beiden Gebäudeflügeln, auf feine Stahl-Rundrohrstützen aufgesetzt, liegen geschützt der Eingang und die Stellplätze für Fahrräder, Auto und Boot.

Das Erdgeschoss mit dem Werkstatt-Sockel ist verputzt, das Obergeschoss dagegen ist mit einer ringsum laufenden, horizontalen, vorvergrauten Lärchenschalung hinterlüftet beplankt. Ein großer Rahmen aus Leimholz fasst die Öffnungen der Terrasse und der Zimmer mit dem Ausblick nach Süden sowie den vertikalen Fassadenkollektor zusammen.

Die Untersicht über der Werkstatt besteht aus einer über den Balken sichtbaren OSB-4-Platte, die Untersicht im OG bilden, wie an allen Wänden auch, weiß gespachtelte Gipsfaserplatten. Das Dach besteht aus hohen, schmalen 6/32-er Leimholzbalken mit leicht konischem Zuschnitt, die ein flach geneigtes Dach mit einem längs liegenden Mittelfirst hinter der horizontal umlaufenden Attika der Lärchenschalung bilden.

Die Bodenplatte kommt mit 20 cm Stärke und ohne betonierte Frostschürzen aus. Sie ist stattdessen ringsum in einer Stärke von 20 cm gedämmt und zum Schutz gegen Unterkriechen durch den Frost noch zusätzlich von einem horizontalen Kranz aus 60 cm breiten Perimeterdämmplatten umgeben.

Die Holz-Aluminiumverglasung mit 3-fach Verglasung liegt mit dem U-Wert für das gesamte Fenster bei 0,85 W/m²K. Die Flügelrahmen sind ringsum mit der 3-fach Verglasung ( U= 0,6 W/m²K) überklebt und benötigen so keine eigene Aluminiumdeckschale für den Witterungsschutz mehr. Die Gläser werden dabei auch zur Aussteifung der Flügelrahmen herangezogen und ermöglichen so feine schmale Holzrahmen, die den Glasanteil der Öffnungen im Vergleich zu üblichen Passivhaus-Fensterprofilen deutlich steigern und die Einstrahlungsgewinne in den Wintermonaten erhöhen. Der geringe Restwärmebedarf des Gebäudes wird durch ein Lüftungskompaktgerät mit Wärmepumpe und Wärmerückgewinnung bereitgestellt, das seine Zuluft durch einen vorgeschalteten Erdreichkollektor zur Vorerwärmung bezieht. Unterstützt durch die thermische Solaranlage sorgt dieses Gerät auch für die Warmwasserbereitung. Der auf Maß produzierte Fassaden-Flachkollektor ist senkrecht an der Fassade montiert und damit speziell für die sonnenärmere Jahreszeit mit den flachen Einstrahlungswinkeln optimiert, um im Winterhalbjahr die Wärmepumpe am besten unterstützen zu können. Im Sommer sorgt die senkrechte Anordnung unter dem etwas auskragenden umlaufenden Holzrahmen für einen einfachen Schutz vor Überhitzung. Zur Pufferung ist ein Solarspeicher zwischengeschaltet.

Die Bodenbeläge bestehen in der Werkstatt im Erdgeschoss aus einem robusten geglätteten Zementestrich mit transparenter Acrylharzbeschichtung, im Obergeschoss aus einem massiven Eichenparkett. Alle Absturzsicherungen sind in den Bereichen, wo ein Sichtschutz erwünscht ist, durch die um die Terrasse weiter laufende Fassadenschalung gebildet. Wo der Blick auf der großen Lärchenholz-Terrasse nach Süden frei sein soll, stehen nur einige filigrane 21 mm Stahl-Rundrohrstangen mit Füllungen aus horizontalen Edelstahlseilen.

Das Gebäude wurde von Mitte September bis Mitte Dezember 2010 in etwa drei Monaten errichtet, wobei der Holzbau größtenteils in der Halle vorgefertigt wurde. Der Aufbau des Holz-Rohbaus bis zum Beginn der Dachabdichtung erfolgte innerhalb von drei Tagen, die Installation von Sanitär-, Elektro- und Lüftungsleitungen fand in der Folge vor Ort statt. Als luftdichte Ebene dient die OSB-4 Platte der Innenschale mit verleimten bzw. verklebten Stößen. Vor dem Verschließen der Raumschale hat das Gebäude eine Qualitätsprüfung mit Luftdichtheitstest ( n50-wert: 0,5 ) und thermografischer Begleitung bestanden.

Es ist ein robustes Haus. Das Budget dafür war mit 270.000 Euro Baukosten sehr beschränkt. Dennoch bezieht das Gebäude seine Eleganz aus der Längsstreckung des Obergeschosses sowie aus der Einfachheit der Materialien und Details. Ein für Gewerbebauten ambitioniertes Hüll- und Technikkonzept konnte mit dem Baustoff Holz ebenfalls umgesetzt werden. Zusammen mit der großen Photovoltaikanlage wird dadurch der eigene Energieverbrauch leicht überkompensiert und ein Plus-Energiekonzept erreicht.

Adresse
Am Hattenleh 4
78337 Öhningen/ Höri

Bundesland
Baden-Württemberg

Bauherren
Kristin und Rainer Matz, Öhningen

Architekten
schaller + sternagel architekten
78476 Allensbach
Till Schaller und Thomas Sternagel
www.schaller-sternagel.de

Tragwerksplaner
Ing. Büro Jürgen Kunzelmann
78661 Dietingen
www.ib-kunzelmann.de

Bauausführung
Holzbau Seeburger
78661 Irslingen
www.holzbau-seeburger.de

Baujahr
2010

Auszeichnungen
Beispielhaftes Bauen 2011
Anerkennung Holzbaupreis Baden-Württemberg 2012

Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Till Schaller
Zum Eichelrain 3
78476 Allensbach
Tel.: 07533/ 997912
schaller(at)schaller-sternagel.de

Fotografen
Peter Allgaier, Konstanz
Till Schaller, Allensbach

Gebäudeart
Wohn- und Werkstattgebäude

Bauweise
Passivhausbauweise mit Holzdämmständern in vorgefertigten Wandtafeln

Objektdaten
Nutzfläche 140 m²

Konstruktion
Stahlbetonbodenplatte ohne Frostschürzen mit unterseitiger Perimeterdämmung, 2-geschossiger zellulosegedämmter Holzdämmständerbau (d= 30 cm) innenseitig OSB-4 + Gipsplatten, außenseitig EG Holzweichfaser als Putzträgerplatte, OG DWD-Platte mit hinterlüfteter, vorvergrauter Lärchenrhombusschalung, Dachkonstruktion aus schmalen hohen 6/36er Leimholzsparren mit leicht geneigten Dachflächen und Mittelfirst hinter horizontal verlaufender Attika.

Boden im Erdgeschoss in der Werkstatt mit Zementestrich als Sichtestrich und transparenter Acrylharzbeschichtung, Zwischendecke aus sichtbarer Leimholzbalkenkonstruktion mit Schlitzblechen verbunden, darüber sichtbare OSB-4-Platte und normaler Estrichaufbau Technische Ausstattung

Im Erdgeschoss kleinstmöglicher Technikschrank mit Wärmepumpenkompaktgerät und Pufferspeicher in der Werkstatt, Gäste-WC im EG, im OG Küche und Bad, Lüftungsanlage

Energiekonzept
Passivhausqualität aller Hüllelemente, 3-fach Verglasung mit U-Wert= 0,6 W/m²K, Restwärmebereitstellung über Lüftungskompaktgerät mit Kleinstwärmepumpe, Warmwasserbereitung über thermische Solaranlage als vertikaler Fassadenkollektor und Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Vorerwärmung der Zuluft über ein Rohrregister im Erdreich. Auf dem Dach eine 5,5 kWpeak Photovoltaik-Anlage, die den restlichen Gesamtenergieverbrauch überkompensiert.

Besonderheiten
Holz-Aluminium-Fenster, deren Flügelrahmen außenseitig mit der 3-fach Verglasung überdeckt sind und damit keine separate Aluminium-Abdeckschale auf dem Flügelrahmen mehr benötigen, 45 m² große Terrasse mit Lärchen-Holzdeck, die ebenfalls von der Fassadenschalung mit umschlossen wird.