Projekt 2/3 - Haus S.

72127 Kusterdingen-Immenhausen

Situation
Die Bauherrschaft erreicht das letzte Drittel des Lebens. Die Kinder ziehen aus, es verbleiben eine Künstlerin und ein Architekt als Lebensgemeinschaft. Sie wünschen sich einen Lebens- und Arbeitsraum, in dem sie aktiv alt werden können. Gemeinsam ist ihnen der Hang zur Ordnung, zum Einfachen. Eine gezielte Magazinierung aller Gebrauchsgegenstände und deren Reduktion auf zwei Drittel (2/3) des bisherigen Umfangs ist Programm. Die Lebensräume sollen als leicht veränderbare, großzügige Freiräume nutz- und erlebbar sein. Die Materialien sollen natürlich und gut zu recyceln sein, der Energiebedarf des Gebäudes optimiert werden.

Konzept
Im Norden des Hauses befinden sich kompakt in einem rund 13 m langen Flur Eingangsbereich, einläufige Treppe, Haustechnik und Küche im Erdgeschoß. Direkt darüber ist ein gleicher Flur mit Magazin, WC, Dusche, Sauna, Ankleiden und Waschschrank ausgebildet. Im Süden öffnet sich je Ebene eine zusammenhängende Raumzone, die eine Raumdifferenzierung mit Schiebewänden ermöglicht. Im Erdgeschoss kann so ein Raum für Gäste vom Wohn- und Essbereich abgeteilt werden, im Obergeschoss das Schlafzimmer vom Arbeits- und Atelierbereich.

Hülle
Die Nordfassade, hinter der sich die dienende Schrankzone befindet, ist dementsprechend komplett geschlossen. In die ebenfalls geschlossene Ost- und Westfassade schneidet sich jeweils ein vertikales Band mit Fenstertüren ein. Es belichtet den Flur und macht ihn durch das Haus hindurch auch ins Freie fortgesetzt erlebbar. Die atelierartigen Großräume im Süden sind raumhoch verglast, die festverglasten Fassadenteile direkt auf die tragenden Stützen geklemmt. Das mittlere Feld (ca. 3,20 m x 2,40 m) ist komplett als Schiebetür zu öffnen. Dadurch entsteht der Eindruck, im Freien zu essen und mitten im Garten mit Blick auf die Schwäbische Alb zu arbeiten.

Konstruktion
Es gibt keinen Keller. Die geschlossenen Bauteile wurden auf der Bodenplatte als vorgefertigte Holzrahmenkonstruktion errichtet (Aufbauzeit 6,5 Stunden) und mit Zellulosedämmung ausgeflockt. Das Flachdach ist als Gründach ausgeführt. Die Südfassade wurde als Rahmenkonstruktion vorgefertigt. Die vorgelagerte verzinkte Stahlkonstruktion dient als Putzbalkon, nimmt das Rollmarkisensystem auf und trägt den feststehenden Sonnenschutz aus umlaufenden transluzenten Doppelstegplatten.

Material
Alle sichtbaren Holzteile bestehen aus Weißtanne in verschiedenen Oberflächenqualitäten. Die hinterlüftete Fassadenverschalung bilden 6 m lange, unbehandelte, sägeraue Bretter unterschiedlicher Breite, die im Lauf der Zeit grau verwittern werden. Damit nimmt die Fassade ein Thema der Höfe und Scheunen der Umgebung auf. Die unregelmäßige Anordnung der Bretter folgt einer künstlerischen Idee der Bauherrin und bildet kodiert nach drei Buchstaben den Text einer japanischen Zen-Meditation ab. Tür- und Fensterelemente sowie die Konstruktion der Südfassade bestehen aus verleimter Weißtanne und sind im Innenraum lasiert. Es wurden passivhaustaugliche Dreischeibenverglasungen eingesetzt, lediglich die Schiebeelemente wurden wegen des Gewichts nur mit einer Zweischeibenverglasung ausgeführt. Den Fußboden bildet ein Estrich mit Flächenheizung, der geschliffen und eingelassen wurde. Im Kontrast zu seiner lebendigen Oberfläche stehen die hell gestrichenen Wände und Decken. Im Sanitärbereich des OG wurde an den Wänden eine feine Kalkmarmorputzoberfläche realisiert.

Technik
Die konsequente Zonierung und Ausrichtung des Gebäudes sowie die gute Dämmung der Bauteile minimieren den Heizenergiebedarf. So wird nur ein kleiner Holzpelletkessel benötigt, der auch die Warmwasserbereitung übernimmt. Die Pellets werden in einem Erdtank gelagert, ein Pufferspeicher mit 600 Litern Volumen ermöglicht die temperaturgerechte Verteilung von Warmwasser und Heizungsvorlauf. Wasserführende Leitungen befinden sich ausschließlich und an einem Strang konzentriert im nördlichen Teil der Nordzone. Bewusst wurde auf eine künstliche Be- und Entlüftung verzichtet, um dem Konzept der Einfachheit des Hauses auch im Bereich der Technik zu entsprechen. Die Elektrotechnik wurde konventionell organisiert. Alle Schalter sind in eigens entwickelten Aluminiumschienen an den Durchgängen zwischen Nord- und Südzone platziert. In der Südzone dienen diese Schienen als Sockelleisten mit integrierten Steckdosen.

Außenraum
Im Osten wird das Grundstück durch eine bewachsene Pergola begrenzt, die konstruktiv gleich aufgebaut ist wie der Putzbalkon. Sie dient als Carport, Rankgerüst und Außenlager.

Adresse
Rauhwiesenweg 24
72127 Kusterdingen-Immenhausen

Bundesland
Baden-Württemberg

Bauherren
Ursula und Bernd Selbmann

Architektur

SELBMANN ARCHITEKTUR
Baldeckstraße 6
72525 Magolsheim
www.selbmann-architektur.de

Tragwerksplaner
tragwerkeplus Ingenieurgesellschaft mbH & Co. KG
Dieselstraße 12
72770 Reutlingen

Bauausführung
Hartmaier + Partner Freie Architekten BDA
Kirchplatz 2
72525 Münsingen

Baujahr
2011

Auszeichnungen
Baukulturpreis Schwäbische Alb 2013
Holzbaupreis Baden-Württemberg 2012, Anerkennung
Beispielhaftes Bauen 2011, Architektenkammer Baden-Württemberg, Landkreis Tübingen
Hugo-Häring-Auszeichnung 2011, BDA Baden-Württemberg, Kreisgruppe Neckar Alb

Ansprechpartner

SELBMANN ARCHITEKTUR
Sebastian Selbmann, Daniela Selbmann
www.selbmann-architektur.de
mail(at)selbmann-architektur.de
07384/9549025
0151/591190-93 od. -94

Fotograf
Bernd Seeland

Gebäudeart
Einfamilienhaus

Objektdaten
Grundstücksgröße 470 m2, Wohnfläche 140 m2, Baukosten (brutto gem. DIN 276, Kostengruppen 300 + 400) 348.000 €

Konstruktion
Vorgefertigter Holzrahmenbau auf Betonbodenplatte

Technische Ausstattung
Holzpelletkessel, im Estrich eingelassene Niedertemperatur-Fußbodenheizung

Energiekonzept
Mit Zellulose und Holzweichfaserplatten hochgedämmter, kompakter Baukörper, Maximierung passiver Solargewinne durch konsequente Ausrichtung und Zonierung, Deckung des Restenergiebedarfs von 19 kWh/m2a mit nachwachsenden Rohstoffen