Sonnensegel in Dortmund gerettet

Weltweit erste vorgespannte Holzrippenschale

Der im Jahr 1969 für die Bundesgartenschau in Dortmund fertiggestellte Ausstellungspavillon zählt als erstes zugbeanspruchtes Holzflächentragwerk zu den herausragenden Experimentalbauten jener Zeit. Erst kurz vor der Gartenschau fiel die Entscheidung für den Pavillon, der von der Arbeitsgemeinschaft Holz (Arge Holz) – für mehr als 60 Jahre Motor des INFORMATIONSDIENST HOLZ – als Demonstrationsobjekt für fortschrittlichen Holzbau finanziert wurde.

Die Arge Holz beauftragte mit dem Bau das Büro Behnisch & Partner aus Stuttgart, das sich im Jahr davor mit dem Wettbewerbsbeitag für das Münchnener Olympiagelände einen Namen gemacht hatte. Zusätzlich zog sie noch Prof. Herbert Kupfer von der TU München hinzu. Sein Kollege Prof. Anton Gattnar und der noch junge Assistent Julius Natterer entwickelten einen Prototyp: ein punktgestütztes Hängedach mit den Merkmalen einer Seilnetzkonstruktion. Seine konstruktive Bearbeitung kann maßgeblich Julius Natterer zugeschrieben werden.

Die Hängekonstruktion mit einer Spannweite des Daches von 60 x 64 Metern sollte ursprünglich nur temporär genutzt werden, entwickelte dann aber ein erstaunlich langes Leben als öffentlicher Ort für Theater, Tanz und Festlichkeiten. Im Laufe der Jahrzehnte litt allerdings die Holzkonstruktion durch Witterungseinflüsse und Pilzbefall so stark, dass zwischenzeitlich sogar der Abriss drohte. Nach Hinweisen des Landesdenkmalamtes nahm sich die Wüstenrot Stiftung des Sonnensegels an und prüfte 2017 mit einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten einer denkmalpflegerischen Sanierung. Verantwortlich für das Sanierungskonzept war das Stuttgarter Ingenieurbüro Knippers Helbig. Um das Segel dauerhaft zu stabilisieren, wurden die defekten Holzstützen und die stählernen Spannseile ausgetauscht. Die originale Holzrippenschale ertüchtigte man mit dünnen Carbonlamellen.

Ein Happy End, dass die Wüstenrot Stiftung und die Stadt Dortmund gemeinsam mit 1.7 Mio. Euro finanzieren und das auch ein Vorbild für Sanierungen von weiteren gefährdeten hölzernen Experimentalbauten wie der Multihalle in Mannheim von Frei Otto sein könnte. Von diesem Engagement für schützenswertes Kulturgut profitiert natürlich mühelos die Holzwirtschaft. Es entsteht einmal mehr der Eindruck, dass sie nur wenig Interesse für ihre eigene Bauhistorie aufbringt. Sollte es nicht auch in ihrem Sinne sein, ein wichtiges, weltweit geschätztes Bauwerk so lange wie möglich zu erhalten, damit es von der gestalterischen Kraft des Baustoffs Holz kündet?

Text: Arnim Seidel

(© Arnim Seidel)

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