„Nicht aufhören zu denken!“

Urbaner Holzbau als Antwort auf städtebauliche, ökonomische und soziale

Herausforderungen

Die Ausstellung Wald und Holz NRW auf der Landesgartenschau (LAGA) war rahmengebend für die Fachtagung Urbaner Holzbau, die am 27. August in Zülpich stattfand. Knapp 100 Fachleute erlebten hochkarätige Referenten aus Wissenschaft und Praxis. Unter der Marke INFORMATIONSDIENST HOLZ hatte das Holzkompetenzzentrum Rheinland Architekten und Ingenieure eingeladen. Es wurde zum Sinn des Holzbaus in der Stadt, zu den besonderen Rahmenbedingungen im urbanen Umfeld, zu technischen Lösungen und zu Normgrundlagen vorgetragen bzw. diskutiert. Es zeigte sich: Der moderne Holzbau, kompetent umgesetzt, eignet sich hervorragend zur Entwicklung städtischer Strukturen, kann gleichzeitig Kultur stiftend sein und die Lebensqualität der Menschen erhöhen.

Prof. Ludger Dederich, Abt. Holzbau Hochschule Rottenburg fragte einleitend, ob die Stadt der Zukunft angesichts größeren Zuzugs in die urbanen Zentren unbewohnbar oder zumindest unwirtlich wird. Die Städte brauchen mehr Wohnraum, das ist Fakt. Gleichzeitig gibt es das Bedürfnis des Menschen nach Naturnähe. Schon in den 1930er Jahren wurde demgegenüber vom "Steinernen Berlin" als Negativbeispiel für das Wohnen in zunehmend menschenfeindlicher Umgebung berichtet. Die Herausforderungen sind also nicht nur im bautechnischen Sinn groß. Vielmehr hat sich glücklicherweise der Anspruch vom lediglich funktionierenden Zweckbau in Richtung Identität und Kultur erweitert. Gutes Beispiel für die Kombination gesamtgesellschaftlicher Anforderungen ist ein ganzes Quartier in Holzbauweise, das auf dem Dach eines konventionellen Gebäudes inmitten Stockholms umgesetzt wurde. Dieser moderne Holzbau hat durchaus sinnstiftenden Charakter. So lässt sich mithochwertigen und hochtechnischen Ausgangsprodukten moderner Wohnraum und zugleich eine gesunde lebenswerte Umgebung schaffen. "Hören Sie nicht auf ungewöhnlichzu denken", forderte Dederich die Kollegen auf, "es gibt die Potentiale fürden urbanen Holzbau. Diese immer wieder zu finden und für die Menschen ganzheitlichzu realisieren ist unsere lohnende Aufgabe."

Prof. Jörg Wollenweber, Abt. Holzbau FH Aachen und Architekt, nahm den Faden aufund referierte über die Notwendigkeit umfassend zu planen. Die Vorteile von Holz beider Erschließung von Hinterhof-Grundstücken mit suboptimaler Zuwegung oder schwierigen, eigentlich als unbebaubar geltenden, Grundstückszuschnitten, sind unbestritten. Prof. Wollenweber: "Gerade in städtischen Strukturen eröffnet Holz bauliche Optionen, die mit Alternativmaterialien nicht umsetzbar wären". Den Einsatz von Holz jedoch als alleinige Lösung für aktuelle sozioökonomische und ökologische Herausforderungen zu sehen, greift hingegen zu kurz: So müssen z. B. energetische Überlegungen den Dreiklang Effizienz, Suffizienz und Konsistenz beachten. Natürlich verringert der Einsatz von Holz grundsätzlich den Energiebedarf. Eine Sensibilisierung der Bauherren für die Bereitstellung regenerativer Energie und nicht zuletzt die Anpassung eigenen Verhaltens als Bewohner müssen jedoch ebenfalls immer Teil der über reine Materialität hinausgehenden Planungen sein. Nur die Kombination des möglichst weitgehenden Einsatzes von Holz mit sinnvollen technischen Maßnahmen und fundierten Überlegungen z.B. zur Exposition von Gebäuden schöpft die Potentiale des Baustoffs Holz letztlich aus.

Der Frage, warum in Mitteleuropa trotz großer Holzmengen nicht viel intensiver mit diesem Rohstoff gebaut wird, begegnete Dipl. Ing. Tobias Götz, Geschäftsführer von Pirmin Jung Deutschland, mit herausragenden Beispielen für den urbanen Holzbau.Die Anforderungen hinsichtlich Statik, Wärme-/Feuchteschutz, Bauablauf und gesichertenKosten sind zwar vielgestaltig, jedoch klar beherrschbar. Der Schlüssel liegt für Pirmin Jung in der integralen Planung: "Der Holzbauingenieur mit seinem auftechnische Umsetzbarkeit gerichteten Fokus ist zentrale Schnittstelle zwischen dem berechtigten ästhetischen Blick des Architekten auf ein Bauwerk und der kompetenten Ausführung durch den Holzbaubetrieb". Brettsperrholz als eine Grundlage für monolithische monolithische Bauwerke mit flächigem Tragwerk bis zur Hochhausgrenze kommt nicht nur der vielfach gewünschten massiven Anmutung von Bauwerken nach, sondern zeigt darüber hinaus die Vorteile flexibler Grundrisse auf. Diese Anpassungsfähigkeit prädestiniert den Holzbau für gesellschaftspolitisch notwendige Gebäude mit gemischter Nutzung. Die Alters- und Bevölkerungsstruktur unseres Landes ändert sich. Generationenhäuser in Kombination mit Infrastruktur für die kommunale Daseinsvorsorge (Praxen, Kitas) sind nur eine Form, äußerst differenzierten und zudem wechselnden Nutzungsansprüchen zu begegnen. Auf dem Weg zu mehr Holzbau in unserem Lebensumfeld gilt es gerade bei zunehmendem Preis- und Qualitätsbewusstsein der Investoren neben gesundheitlichen Aspekten mit dem Lebenszyklus eines Gebäudes zu argumentieren. Die Investitionssumme eines Bauwerkes ist immer gleichzeitig mit den Vorteilen der früheren Bezugsfertigkeit sowie dem geringeren energetischen Unterhalt und der Recyclierbarkeit eines Holzbaus zu kommunizieren.

Wurde der Holzbau im Zuge der Veranstaltung zunächst als Beitrag zum nachhaltigen Bauen und als Chance dem demographischen Wandel zu begegnen dargestellt, so referierte Dipl. Ing. Jörg Bühler, Leiter Fachberatung Holzbau, Holzbau Deutschland-Insitut e.V. über technische Details. Aus Sicht von Bühler ist die individuelle und neutrale Hilfestellung beim Planen und Bauen mit Holz - von prinzipiellen Fragen beim Gebäudeentwurf bis zum Detail in der Ausführung - von großer Bedeutung für den weiteren Erfolg des Holzbaus. Eine kompetente Beratung richtet sich an die gesamte Bandbreite der Architekten und Ingenieure, an öffentliche und private Bauentscheider, Lernende und Lehrende sowie Medienvertreter und hilft den jeweils aktuellen Stand des Wissens sicherzustellen. So erwachsen aus der Einführung neuer Normen wie beispielsweise den Eurocode 5 immer wieder vielfältige Fragestellungen. Eine sichere Wissensbasis unter den Fachleuten ist Voraussetzung, um Vorurteile aufzulösen und Vorbehalten gegenüber dem Holzbau entgegenzutreten. Die Erfahrung des Fachberaters bestätigte z.B. die mit der Einführung der neuen DIN 68800 verbreiterten Möglichkeiten, im Holzschutz weitestgehend ohne chemische Mittel auszukommen. Jörg Bühler ermutigte die Kollegen: "Gemäß des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind Sie angehalten, den konstruktiven Holzschutz chemischen Alternativen vorzuziehen. Nutzen Sie Möglichkeiten zur detailgenaueren Holzschutzplanung durch exakte Zuordnung der Holzbauteile in die differenzierten Gebrauchs- und Nutzungsklassen".

Die abschließende Diskussion bestätigten den Ansatz des HKZR dem zunehmendenTrend zum Bauen mit Holz und damit einhergehenden Fachfragen mit einer Vielfaltan fachlicher Kompetenz bei den Referenten zu begegnen. So schloss der Moderator Axel Krähenbrink, Leiter des Holzkompetenzzentrums Rheinland, mit derAnkündigung, ähnliche Tagungen zukünftig vermehrt anzubieten. Den Bedarf, Holz einzusetzen, gibt es vor dem Hintergrund eines Bewusstseinswandels der Menschen, ressourcenschonender zu leben, mehr als genug - und an die Architekten und Planer: "Erhalten und mehren Sie als Multiplikatoren Ihre Begeisterung für den Holzbau. Bei aller Nachhaltigkeit und technischen Argumentation sind es die Emotionen, die letztlich zur Entscheidung für den Holzbau führen."

Über die verschiedenen Aspekte des urbanen Holzbaus informierten sich rund 100 Fachleute auf dem Gelände der Landesgartenschau NRW in Zülpich. (Foto: HKZR)