Forschungslabor aus Laubholz

ETH Zürich baut neues Gebäude und testet dabei gleich mit

Die ETH Zürich baut zurzeit auf dem Hönggerberg ein neues Gebäude, bei dem sie mehrere innovative Technologien sowie neue Bauteile aus Schweizer Laubholz testet. Das Bürogebäude, das gleichzeitig Forschungslabor ist, soll im Mai 2015 eingeweiht werden.

Das Gebäude, bei dem derzeit das oberste Geschoss entsteht, hat viele Vorteile: Dank des einfachen Skelettbaus ist der Grundriss flexibel, die Innen- und Aussenwände können beliebig angeordnet werden. Transparente Fassaden und eine fugenlose Aussenhülle sollen es zu einem angenehmen Arbeitsort machen. Doch der Bau mit dem Namen House of Natural Resources ist viel mehr als ein simples Bürogebäude – es ist ein Labor für nachhaltiges Bauen, an dem die ETH Zürich neue Technologien und Bauteile testet, die sonst noch nirgends verwendet wurden.

Sechs ETH-Professoren und -Professorinnen aus den Instituten für Baustatik und Konstruktion, für Baustoffe und für Technologie in der Architektur liessen sich für die Idee begeistern und realisieren nun ihre Forschungsprojekte direkt am Bau. Im House of Natural Resources sollen Solarelemente mit Hilfe von Holzmodulen ausgerichtet werden und eine adaptive Solarfassade für zusätzlichen Strom sorgen. Eine neuartige Holzfassade verspricht zudem erhöhte Witterungsbeständigkeit und Stabilität. Diese Elemente sind noch in Planung. Bereits im Bau sind die beiden Forschungsprojekte, die sich mit der innovativen Nutzung von Laubholz beschäftigen.

So kommt beim Projekt eine Weltneuheit zum Einsatz: eine Holz-Beton-Verbunddecke mit Buchenholz aus Schweizer Wäldern. Eine rund vier Zentimeter starke Buchenholz-Furnierplatte dient sowohl als Schalungselement als auch als Armierung und ist gleichzeitig eine attraktive Oberfläche. Taschenförmige Vertiefungen in der Platte gewährleisten den Verbund mit der 16 Zentimeter dicken Betonschicht, die aufgebracht wird. Dadurch entsteht eine Verbunddecke, die ähnlich gute Trageigenschaften hat wie Stahlbetondecken, die meistverbauten Tragelemente in der Schweiz.

Auch die Rahmenkonstruktion im HoNR besteht aus Schweizer Holz und ist aus mehreren Gründen einzigartig: Die Stützen bestehen zu 100 Prozent aus Eschenholz, die Träger sind aus Esche und Fichte zusammengesetzt, um die Festigkeit zu erhöhen. Für beide Komponenten wurde sogenanntes Brettschichtholz verwendet, bei dem verschiedene Holzlamellen in der gleichen Faserrichtung übereinander geklebt werden. Die Knoten, in denen sich Träger und Stütze treffen, sind durch Laubholz verstärkt und besonders steif. Zudem sind alle Träger mit einem Kabel, das im Innern durch das Holz geht, vorgespannt. Die Träger zentrieren sich dadurch selber, und die gesamte Tragkonstruktion ist besonders verformbar, was sie deutlich erdbebensicherer macht.

Diese neuartige Konstruktion ist im Rahmen eines laufenden KTI-Projektes entwickelt worden und wurde erstmals im HoNR getestet. Sie kann gut vorgefertigt und schnell aufgebaut werden. Dadurch ist nicht nur die Verbunddecke, sondern auch die vorgespannte Rahmenkonstruktion sehr kostengünstig.

Ob sich diese Rahmenkonstruktion und diese Art der Holz-Beton-Verbunddecke auch auf lange Sicht bewähren, wird das Forschungsprojekt zeigen. Da die Forschenden das HoNR ständig mit Sensoren überwachen, können sie erstmals das Tragverhalten in einem realen Gebäude unter Gebrauch über mehrere Jahre untersuchen. Und weil die Kollegen der VAW das Gebäude nutzen, können die Forschenden nicht nur messbare Grössen wie Verformungen, Schwingungen, Spannungen beobachten, sondern auch die subjektiven Wahrnehmungen der Nutzer – wie Wohlbefinden, Behaglichkeit, Empfinden von Schwingungen – in ihre Untersuchung miteinbeziehen. Wertvolle Daten, die mit reinen Laborversuchen unmöglich zu erheben wären.

Das ETH-Projekt legt besonders viel Wert auf die Verwendung von Laubholz, denn der Anteil an Laubbäumen nimmt im Schweizer Wald als Folge der Klimaerwärmung zu. Bislang wird aber zum Beispiel Buchenholz hauptsächlich für den Innenausbau und für Möbel oder direkt für die Energienutzung verwendet; letzteres ist aus ökologischer Sicht wenig sinnvoll. Wird Holz zuerst möglichst hochwertig, beispielsweise im Holzbau, eingesetzt und nach weiteren Verwertungsstufen erst am Ende des Lebenszyklus verbrannt, verbessert dies die Emissionsbilanz wesentlich.

Die Visualisierung zeigt das künftige Bürogebäude, das gleichzeitig auch ein Forschungslabor ist. (Grafik: mml Architekten)