Erstes Hochhaus aus Holz in der Schweiz entsteht

Modifizierte Brandschutzvorschriften zeigen Wirkung

Seit 2015 ist von den Schweizer Brandschutzvorschriften her die Anwendung von Holz in allen Gebäude­kategorien und Nutzungen zugelassen. Selbst Hochhäuser mit Holzbauteilen sind neu möglich. Jetzt entsteht das erste Holz-Hochhaus der Schweiz in Risch Rotkreuz im Kanton Zug.

Auf dem Areal Suurstoffi in Risch Rotkreuz wächst derzeit Stück um Stück ein neues Quartier, in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeitaktivitäten miteinander verbunden sind. Im Endausbau wird die Suurstoffi Raum für 1.500 Bewohner und über 2.500 Arbeitsplätze bieten. Zudem werden rund 2.000 Studierende der Hochschule Luzern und Schüler das Areal frequentieren. Die in Zug ansässige Zug Estates Gruppe zeichnet für die integrale Entwicklung dieses zehn Hektaren grossen Quartiers verantwortlich.

Auf dem an der Bahnlinie gelegenen Baufeld entsteht nun ein Bürogebäude in einer Holz-Beton-Verbundkonstruktion. Mit zehn Geschossen über Terrain ist der Bürobau das erste Holz-Hochhaus der Schweiz. Die Baubewilligung wurde am 26. Juli 2016 erteilt. Der Baustart ist Ende August erfolgt; die Baufertigstellung ist für 2018 geplant.

Der Holzbau hat sich nach langer Einschränkung durch die Brandschutzvorschriften vor rund zehn Jahren den Zugang zum Bau grosser Volumen erschlossen. Seither entwickelt sich das neue Segment des mehrgeschossigen Holzbaus mit starken Zuwachsraten. Jedes Jahr entstehen mittlerweile rund 500 Mehrfamilienhäuser mit Holz, oft in gemischter Bauweise.

Mit dem Holzbau hat die Bauherrin Zug Estates AG bereits bei verschiedenen Bauprojekten gute Erfahrungen gemacht. 2010 wurde mit dem Hotel City Garden in Zug das erste viergeschossige Holzhotel der Schweiz eröffnet. Auf dem nördlichen Arealteil der Suurstoffi entstanden von 2013 bis 2014 neun Gebäude mit insgesamt 156 Wohneinheiten im Holzelement- sowie im Holz-Hybridbau.

Die Anforderungen für den jetzt entstehenden Holz-Zehngeschosser sind hoch. Ein enger Terminplan zwingt zu konsequenter Planung in höchster Präzision, wofür der Holzbau prädestiniert ist. Die gewählte Holz-Beton-Verbundkonstruktion erlaubt eine um vier bis sechs Monate verkürzte Bauzeit, da die einzelnen Elemente im Werk einschliesslich Heiz-, Kühl- und Lüftungskomponenten vorgefertigt werden können.

"Eine unserer Auflagen war, dass die Planer mit Building Information Modeling (BIM) arbeiten", sagt Kim Riese, Leiter Entwicklung & Bauprojekte bei Zug Estates. Im Holzbau sind solche digitalen Planungs- und Prozessketten üblich. Dies begünstigt laut Riese die bekanntermassen kurzen Bauzeiten und die hohe Termintreue des Holzbaus. Im Vergleich zum Massivbau ergäben sich keine höheren Erstellungskosten.

Die bauliche Anwendung von Holz war in der Schweiz lange Zeit vom Brandschutz her eingeschränkt. Bis Ende 2004 waren mit Holz nicht mehr als zwei Geschosse plus Dachausbau erlaubt, was zur Folge hatte, dass zumeist nur Einfamilienhäuser und Kleinbauten aus Holz entstanden.

Um diese Sackgasse zu öffnen, baute die Lignum zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt BAFU ab 2001 in einem breit angelegten, national und international abgestützten Verbund das Grossprojekt "Brandsicherheit und Holzbau" auf. Es sollte das Brandverhalten von Holz im mehrgeschossigen Bauen erforschen und im Hinblick auf die Anwendung des Materials in diesem Massstab Konzepte für brandsichere Konstruktionen und Bauteile entwickeln. Eingebunden waren dabei alle massgeblichen Partner im In- und Ausland: in der Schweiz unter anderem die ETH Zürich, die Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel, die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF, der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA, die Empa Dübendorf sowie eine Menge Unternehmen der Holz- und Zulieferindustrie. Im Ausland zählten Gewichte wie die MFPA Leipzig, die TUs Braunschweig und München, Holzforschung Austria und Wood Focus Oy (Helsinki) dazu.

Aufgrund der Forschungsergebnisse liessen die Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF ab 2005 in der Schweiz Holzbauten neu bis sechs Geschosse zu. Eingeschränkt blieb jedoch die Holzanwendung in bestimmten Nutzungen mit grosser Personenbelegung wie zum Beispiel Beherbergungsbetrieben. In den Jahren darauf stieg der Anteil der baubewilligten Tragkonstruktionen aus Holz im Mehrfamilienhausneubau steil von praktisch null auf heute rund sechs Prozent an. Sechs Geschosse mit Holz sind im Zuge dieser Entwicklung im urbanen Raum praktisch Standard der Holzanwendung geworden.

Die aktuelle, seit 2015 geltende Vorschriftengeneration der Schweizer Brandschutzvorschriften VKF beseitigt aufgrund der positiven Erfahrungen in den letzten zehn Jahren die noch bestehenden Einschränkungen für die Holzanwendung. Bis zu einer Gesamthöhe von 30 Metern können unter den jetzt geltenden Vorschriften Wohn-, Büro- und Schulhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Beherbergungsbetriebe oder etwa Verkaufsgeschäfte im Holzbau realisiert werden.

Selbst bei Hochhäusern ist die Anwendung von tragenden und brandabschnittsbildenden Holzbauteilen mit brennbaren Anteilen unter bestimmten Rahmenbedingungen neu möglich. Konkret werden brandschutztechnisch robuste, mit nichtbrennbaren Bekleidungen geschützte Holzbauteile der nichtbrennbaren Bauweise gleichgestellt. Die Brandschutzbehörden anerkennen damit die Erkenntnisse aus umfangreichen Untersuchungen, die nachweisen, dass die Brennbarkeit eines Baustoffes nicht das massgebende Kriterium ist, sondern die brandschutztechnisch korrekte Ausführung einer Konstruktion einen grösseren Einfluss auf das Brandverhalten hat.

Kurz gesagt, hat sich Holz unter den Brandschutzvorschriften 2015 als Baustoff ohne Sonderregelung normalisiert. Nach dem Inkrafttreten der neuen Schweizer Brandschutzvorschriften 2015 war es nur eine Frage der Zeit, wann das erste Projekt angekündigt würde, das die früher geltende Obergrenze von sechs Geschossen sprengt. Es war der achtgeschossige Neubau des Basler Amtes für Umwelt und Energie AUE am Fischmarkt. Die Basler Stimmberechtigten haben am 5. Juni 2016 den Kredit dafür genehmigt. Mit der Baubewilligung für den zehngeschossigen Bürobau im Suurstoffi-Areal betritt das Baumaterial Holz erstmals in der Schweiz die Hochhaus-Arena.

So wird das erste Hochhaus aus Holz in der Schweiz, das auf dem Areal "Suurstoffi" in Risch-Rotkreuz errichtet wird, aussehen. (Grafik: Zug Estates AG)