Schweiz: Erstes 80 Meter hohes Hochhaus aus Holz in Planung

Züricher Architekten gewinnen mit Entwurf für das Projekt "Pi"

Auch die Schweiz wächst in die Höhe. Dass die Stadt Zug mit nur 30.000 Einwohnern ein Hochhausreglement braucht und mit Ausnutzungsziffern bis zu 3.5 operiert, mag eine Besonderheit darstellen, ist aber symptomatisch für die zunehmende Verdichtung in die Vertikale im ganzen Land.

Der vor diesem Hintergrund von Duplex Architekten, Zürich, gestaltete Entwurf für das Hochhaus "Pi" sieht einen Turm ohne Sockel vor, so dass in dem baulich bedrängten Geviert möglichst viel Fläche für den öffentlichen Raum freigespielt wird. Gleichzeitig wird so der Anteil an unbeliebten Sockelflächen minimiert. In vier Segmenten staffelt sich der Turm in die Höhe, wobei er umlaufend jeweils um 50 bzw. 80 cm grösser wird.

Die gewählte Form ist so einfach wie ikonografisch. Mit der untersten Kante werden wichtige horizontale Bezüge zur Nachbarbebauung aufgenommen, so dass das Motiv der Staffelung trotz seiner Subtilität zur Vermittlung zwischen den Massstäben beiträgt. Die Sockelnutzungen sind öffentlich und publikumsorientiert: Es finden ein Showroom, Coworking-Angebote und ein Bistro mit Café Platz.

Das neue Hochhaus ist kein abstrakter Glaskörper, sondern zugänglich, durchlässig und einladend. Auf der Rückseite ergänzen die Architekten als Gegenüber ein zweigeschossiges Ateliergebäude, das in Zukunft unter anderem eine Kindertagestätte mit drei Gruppen aufnehmen soll. So spannt sich im Zwischenraum von Hoch- und Hofhaus eine Art Quartierzentrum auf, das mit seiner Kleinteiligkeit überraschen mag und über die Grenzen des Gevierts hinaus in die Nachbarschaft abstrahlt.

Die innere Logik des Hochhauses baut auf der Idee der Vertikalen Nachbarschaft auf. Dazu werden jeweils drei Geschosse über eine zentrale, offene Mitte zusammengefasst. Diese Piazza ist Ankunftsort, Verteilraum und Auftakt zu den Wohnungen. Insgesamt entstehen zehn Nachbarschaften mit jeweils etwa 22 Wohneinheiten - eine Grössenordnung, die es erlaubt, einen direkten Bezug zueinander zu entwickeln: Man kennt sich.

Dabei werden Bewohnerprofile mit ähnlichen Bedürfnissen gruppiert: Es gibt einen Familiencluster, einen für Singles, für Ältere, für Wohngemeinschaften, einen für Kurzaufenthalter und so weiter. So werden Bewohner, die sich in vergleichbaren Lebenssituationen befinden, in räumlicher Nähe zueinander wohnen, gleichzeitig lässt das Konzept ein breites Spektrum an unterschiedlichen Wohntypologien zu, die sich über das ganze Haus verteilen.

Die Vielfalt an Wohnungstypologien wird erst möglich durch das innovative Tragwerkskonzept und die konsequente Trennung von Primär- und Sekundärstruktur. Tragend werden zwei ineinandergesteckte Röhren ausgebildet. Um die Treibhausgasemissionen bei der Rohbauerstellung zu reduzieren und sogar eine langzeitige CO2-Speicherung zu ermöglichen, wird das "Tube-in-Tube-Prinzip" für schlanke, hohe Hochhäuser mit den berühmten Stahlrahmenkonstruktionen aus dem Chicago der 1950iger Jahre in eine zukunftsorientierte Konstruktion aus Holz übersetzt: Die Aussteifung erfolgt nicht etwa über den inneren Kern, sondern über die beiden miteinander verbundenen Röhren. Die Zimmer- und Wohnungstrennwände sind jeweils nichttragend ausgebildet, so dass die Grundrisslayouts von Geschoss zu Geschoss variieren können. Damit wird auch ermöglicht, dass sich das Gebäude langfristig an gesellschaftliche Veränderungen anpassen kann.

Es stecken viele Themen der Zukunft in diesem Entwurf: die Frage der räumlichen Dichte und sozialen Breite, des Bauens in die Höhe und des sparsamen Fussabdrucks, die Weiterentwicklung nachhaltiger Konstruktionen mit nachwachsenden Rohstoffen, die Frage des sozialen Mehrwertes bei verdichteten Wohnformen und die Frage nach dem Wirkungsfeld in der unmittelbaren Umgebung.

Im Jahr 2021 soll mit dem Bau des Hochhausprojekts "Pi" begonnen werden. (© Filippo Bolognese)